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0001 - Das Schloß der Dämonen

0001 - Das Schloß der Dämonen

Titel: 0001 - Das Schloß der Dämonen
Autoren: Susanne Wiemer
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Tote lag vor ihm. Der nackte reglose Körper eines jungen Mädchens. Keine äußere Verletzung hatte die Makellosigkeit der schlanken Gestalt zerstört. Auch der Schönheit des ebenmäßigen, geisterhaft bleichen Gesichtes tat die Starre des Todes keinen Abbruch. Große dunkelblaue Augen sahen blicklos zur Decke. Das blonde Haar war in der Mitte gescheitelt und lag wie ein goldenes Vlies um den Kopf.
    Die Lippen waren leicht geöffnet, blutleer und weiß, aber ihre schwellenden, geschwungenen Linien verrieten, daß dieser Mund einmal einen sinnlichen, lockenden Ausdruck gehabt haben mußten. Zwei, drei Sekunden lang starrte Dr. Ramondo schweigend in das Gesicht der Toten. Ihre Schönheit berührte ihn, wühlte ihn jedesmal auf. Aber es war nicht der Abglanz des Lebens, der ihn faszinierte, nicht die Vorstellung, daß diese Wangen einmal rosig waren und die Lippen warm, daß die Augen geglänzt hatten. Die Starre des Gesichts, die bleiche, marmorne Kühle erregten ihn. Sie wollte er zum Leben erwecken. Zu einem Leben, das den Tod nicht aufhob. Das nur Wille und Bewegung war, gefühllose Gier, eisiges Feuer und… Seine Gedanken stockten. Rasch wandte er sich ab, trat an einen der Labortische. Geschickt hantierten seine dürren Finger mit Reagenzgläsern und Retorte, griffen nach Flaschen, maßen Flüssigkeiten ab, schüttelten sie ineinander. Auf seinem hageren Totengesicht lag ein Ausdruck äußerster Konzentration. Er arbeitete verbissen. Dünner weißer Rauch wölkte auf, das Gemisch in der Retorte veränderte die Farbe. Wie ein Hauch hing ein Geruch von betäubender, widerlicher Süße in der Luft. Dr. Ramondo wischte sich den Schweiß von der Stirn, prüfte die Flüssigkeit, fügte noch ein paar Tropfen aus einer winzigen Phiole hinzu und füllte das Ganze schließlich vorsichtig in die Ampulle einer Injektionsspritze. Minuten später trat er wieder neben die Tote. Unter seinen Fingern wirkte die Haut in der Ellenbogenbeuge kalt und seltsam schlaff. Kein Tropfen Blut trat hervor, als die Kanüle eindrang. Langsam, ruhig, drückte Ramondo den Kolben nieder, überzeugte sich davon, daß er die Vene getroffen hatte und daß sich die Flüssigkeit nicht in das tote Gewebe ergoß, und zog schließlich mit einem neuerlichen Ruck die Spritze heraus. Nichts geschah. Keinerlei Reaktion. Dr. Ramondo beobachtete die schöne Tote aus schmalen Augen. Prüfend legte er seine Spinnenfinger auf verschiedene Stellen der leblosen Haut, richtete sich schließlich auf und wischte sich mit einem tiefen Atemzug das dünne Haar aus der Stirn.
    »Die Schale, Acharat«, befahl er heiser.
    Der taubstumme Hüne wandte sich ab. Wie ein Automat ging er auf eine der Türen zu, öffnete sie. In dem Raum dahinter erhob sich dumpfes Knurren, das schrille Fiepen von Mäusen und Ratten.
    Ramondo lauschte gespannt. Ein Gitter rasselte - und im nächsten Moment zerriß ein schriller, quiekender, beinahe menschlicher Schrei die Stille. Es dauerte fünf Minuten, bis Acharat zurückkam.
    Er hielt eine Schale in den Händen. Eine Schale mit frischem, noch warmem Blut… Dr. Ramondo lächelte. Witternd wie ein Tier sog er den süßlichen Geruch ein. Seine Augen funkelten, und mit einer langsamen, fast andächtigen Bewegung tauchte er die Fingerspitzen in die rote, warme Flüssigkeit.
    Blut tropfte von seinen Händen, als er sich wieder umwandte. Blut, daß auf den Kunststoffboden fiel und Spuren hinterließ auf dem bleichen Körper der Toten. Ramondos Finger strichen über ihre Brüste, ihre Schenkel, ihren weißen Leib. Grellrot stachen die magischen Zeichen von der Haut ab. Ramondo arbeitete schweigend, mit zusammengepreßten Lippen, und schließlich zog er zwei lange Linien über Schultern und Hals und legte die Fingerspitzen an die Schläfen des schönen Gesichtes.
    » Steh auf! « flüsterte er. » Lebe! Komm zurück aus dem Reich der Schatten. - Lebe! Trinke das Blut! - Trinke das Blut…! «
    Ein Zucken schien durch die reglose Gestalt zu gehen. Ramondo fuhr zusammen, zog die Hände zurück. Sein Blick hing an dem weißen Gesicht. Die Lider flackerten. Tief auf dem Grund der Pupillenschächte regte sich etwas, begann ein kaltes Feuer zu glühen, der Körper zitterte, krampfte sich zusammen, bäumte sich au und… Schon war der Augenblick vorbei! Der Körper sank wieder zurück in seine Ursprüngliche Lage. Das kalte Feuer in den Pupillenschächten erlosch.
    Tote, gebrochene Augen starrten zur Decke, und der schlanke Leib des Mädchens lag so reglos
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