Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0001 - Das Schloß der Dämonen

0001 - Das Schloß der Dämonen

Titel: 0001 - Das Schloß der Dämonen
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
näher.
    » Nein! « brüllte Montagne - aber das gräßliche Geschöpf kannte keine Gnade.
    Wie Stahlklammern schlossen sich die Totenhände um den Arm des Opfers. Montagne schrie auf, spürte den glühenden Schmerz, den Geruch verbrannten Fleisches. Mit einem brutalen Ruck wurde er zurückgerissen. Seine Füße verloren den Halt, er stürzte die Treppe hinunter und blieb halb betäubt auf dem steinernen Boden liegen. Das Gelächter schwoll an, steigerte sich zu einem grellen, unmenschlichen Heulen. Montagne wälzte sich herum. Feuerschein erfüllte die Luft. Vier, fünf Knochengestalten drehten sich in einem grotesken Reigen. Ihre Finger griffen zu, packten das Opfer, rissen es hoch, schleiften es über den Boden. Glühende Hände brannten sich tief in Montagnes Körper. Schmerz hüllte ihn ein. Er wollte schreien, um sich schlagen, sich wehren - aber er brachte nur noch ein dünnes, kraftloses Wimmern zustande. Für Sekunden umfing ihn die gnädige Schwärze der Bewußtlosigkeit. Als er wieder zu sich kam, spürte er die Bruchsteinquader der Wand im Rücken. Das kalte blaue Feuer blendete ihn. Stöhnend hob er den Kopf und versuchte, etwas zu erkennen. Dicht vor ihm bewegte sich eins der Skelette, in Feuer gehüllt wie in einen Mantel. Montagne sah die bleiche Hand vor seinem Gesicht - und die dürren ausgestreckten Knochenfinger näherten sich seinen Augen…
    ***
    »Barbarisch«, sagte Zamorra kopfschüttelnd.
    Bill Fleming, sein Freund und Fachkollege, hob die linke Augenbraue. Flemings Vorfahren hatten Europa zu einer Zeit verlassen, als noch niemand an die Mayflower dachte. Er war Amerikaner durch und durch, mit allen guten und schlechten amerikanischen Gewohnheiten behaftet - und dazu gehörte, daß er auch den besten Whisky aus Prinzip mit Eis wässerte.
    »Geschmack ist eine Sache, über die man sich nicht streiten soll«, sagte er trocken.
    »Geschmack ist eine Sache, die man entweder hat oder nicht hat«, verbesserte Zamorra.
    »Wenn du das Eis im Kühlschrank ließest, wo es hingehört, würdest du feststellen, daß dieser Bourbon ein sehr diffiziles, in fünfundzwanzig Jahren Lagerzeit in alten Sherryfässern gereiftes Aroma besitzt. Ganz davon abgesehen, daß ich ohnehin nicht verstehe, wie man Whisky trinken kann, solange irgendwo auf der Welt noch Kognak hergestellt wird.«
    Bill Fleming ließ ungerührt die Eiswürfel klirren.
    »Kognak mag der Anfang der Kultur sein«, sagte er. »Aber Bourbon ist auf jeden Fall der Anfang des Genusses. Ich glaube…«
    Er stockte. Sein Gesicht hellte sich auf. Mit sichtlichem Wohlgefallen sah er Nicole Duval entgegen, die quer durch das Lokal zum Tisch zurückkam und sofort die Blicke sämtlicher männlicher Gäste auf sich zog. Sie trug ein knielanges, modisch-altmodisches Flatterkleid, das weich ihre grazile Figur umspielte. Grünliche Funken tanzten in ihren Augen, die kurze Lockenfrisur schimmerte in allen möglichen Nuancen zwischen Goldblond, Dunkelbraun und Kastanienrot, und Zamorra fragte sich einmal mehr, welche Farbe dieser weiche, dichte, knisternde Haarschopf nun eigentlich wirklich hatte. Nicole war es gewöhnt, sämtliche männliche Wesen in ihrer Umgebung zu verwirren. Schwungvoll ließ sie sich auf den Stuhl fallen und griff nach ihrem Glas, das weder Kognak noch Whisky, sondern polnischen Bison Brand enthielt. Sie nippte daran, setzte es ab und lehnte sich seufzend zurück.
    »In dieses Restaurant gehe ich nie wieder, Chef«, erklärte sie kategorisch. »Es ist ein einziges Attentat auf die schlanke Linie. Himmel, diese Sauce zu den Artischocken…«
    »… besteht vorwiegend aus Butter«, gab Zamorra zu. »Schaumig gerührt, mit etwas Knoblauch und Zitronensaft gewürzt und…«
    »Hören Sie auf! Sie wissen ganz genau, daß ich nicht widerstehen kann!«
    »Dann geben Sie es doch auf! Wie wäre es mit Crêpres Suzette zum Nachtisch? Oder vielleicht ein paar flambierte Himbeeren mit…«
    Er unterbrach sich, da der Ober an den Tisch trat. Ein kleiner schlanker Mann mit Menjou-Bärtchen, genauso wie der Küchenchef direkt aus Paris importiert. Er beugte sich vor.
    » Telefon für Sie, Monsieur «, sagte er leise und mit einem Akzent, der verriet, daß er erst seit wenigen Jahren in den Staaten lebte.
    Zamorra nickte und stand auf. Er spürte ein leises Prickeln im Nacken. Ein anderer Mann hätte vielleicht nicht darauf geachtet - aber Zamorra war Wissenschaftler, war es gewöhnt, genau zu beobachten und zu analysieren. Er empfand das gleiche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher