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den kommenden Tag.
    Am Morgen gab sich der weibliche Leutnant nur mehr schweigsam und sachlich, noch immer ohne zu lächeln, wenigstens soweit es Margaret betraf, die wünschte, sie hätte dem reichhaltigen Frühstück lebhafter zusprechen können, stellte aber fest, daß sie dafür viel zu aufgewühlt war.
    Henry würde noch vor dem Mittagessen eintreffen, und so brach sie zeitig zum Bahnhof auf, wobei sie ihr Gepäck diesmal selbst trug. Das Haus, in dem sie übernachtet hatte, schien dies für eine Selbstverständlichkeit zu halten. Man bot ihr nicht an, ihr ein Taxi zu rufen, und nach Margarets Empfinden konnte sie kaum darum bitten. Sie legte auch keinen großen Wert auf die Taxifahrer von Sovastad. Vielleicht hatte auch ihre Muskelkraft ein wenig zugenommen, so wie ihre Sicht ein wenig klarer geworden war, mochte dies nun gut oder schlecht sein.
    »Wie war’s?«
    »Wunderbar.«
    »Du siehst ein bißchen angeschlagen aus.«
    »Ich habe nicht besonders gut geschlafen.«
    »Weil ich dir gefehlt habe, hoffe ich?«
    »Wahrscheinlich. Wie war’s in Stockholm?«
    »Grauenhaft. Diese Schweden sind ein anderer Menschenschlag als wir Engländer.«
    »Armer Henry.«
    »Tatsache ist, daß ich ein Problem habe. Ich erzähle dir beim Mittagessen davon.« Was Henry dann auch tat. Margaret konnte nicht darüber klagen, daß er einer jener Männer war, die alles von ihren Frauen fernhalten, was sie selbst beschäftigt. Und kaum hatten sie zu Mittag gegessen, mußte er auch schon zu einer weiteren Besprechung mit Larsson, Falkenberg und den anderen einheimischen Unholden davoneilen. Margaret brauchte sich keine Gedanken mehr darüber zu machen – sie hatte sich nun seit mehr als 24 Stunden darüber den Kopf zerbrochen –, wie viel sie Henry erzählen wollte. Es war unwahrscheinlich, daß sie ihm überhaupt einmal etwas Entscheidendes über ihre Erlebnisse erzählen müßte.
    »Du siehst immer noch unpäßlich aus, altes Mädchen«, sagte Henry, als er sich aufmachte. »Sogar den Leuten an der Rezeption und dem Kellner scheint das aufzufallen. Ich habe bemerkt, wie sie dich angesehen haben. Ich weiß nicht, wann ich zurück bin. Ich an deiner Stelle würde versuchen, etwas Schlaf nachzuholen. Lauf doch nach oben und ruh dich aus.«
    Er küßte sie – mit aller Leidenschaft.
    Margaret war ganz und gar nicht nach Schlaf zumute, und sie fühlte sich auch keineswegs sonderlich mitgenommen. Nichtsdestotrotz ging sie auf ihr Zimmer, zog sich aus und rekelte sich in ihrem blauen Nachthemd aus Schurwolle auf dem Bett. Es war ganz einleuchtend, daß sie nach dem Verkehrslärm der letzten Nacht einen Nachholbedarf an Ruhe hatte und man ihr das auch ansah. Trotzdem wollte sich kein Schlaf einstellen, und Margaret stand erneut vor dem Problem, daß es für sie in Sovastad nichts mehr zu unternehmen gab. Henrys Lösung wäre zweifellos die Wiederaufnahme des Umgangs mit den Larssons, Falkenbergs und ihresgleichen gewesen, hatte er doch schon festgestellt, daß er auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte: Margaret wäre beschäftigt und dem Geschäft geholfen. Ein Grund, warum Margaret diese Vorstellung mißfiel, lag in der zeitlichen Begrenzung derartiger Bekanntschaften. Sie konnte nicht von einem Augenblick auf den nächsten heitere und vertraute Geselligkeit mit Fremden pflegen, um sie im nächsten Moment schon wieder abzubrechen; was um so schlimmer war, da der Zeitpunkt der Trennung so offen und unbestimmt war. Margaret konnte erst dann geben oder nehmen, wenn sie ein Gefühl von Kontinuität entwickelte. Wahrscheinlich, dachte sie finster, war das ein ernsthaftes Handicap für die Ehefrau eines Geschäftsmannes.
    Schließlich zog sie sich wieder an und ging los, um noch drei Postkarten zu kaufen, die sie an ihre Kinder schickte. Sie hielt ihre Gedanken weiterhin davon ab, sich all dem zuzuwenden, was sich seit dem letzten Postkarten-Triptychon an Dina, Hazel und Jeremy ereignet hatte.
    Aber erst weit nach Mitternacht begann sie sich zu ängstigen – um genau zu sein, als sie die helle Kirchturmuhr drei schlagen hörte, so wie sie sie eins und zwei hatte schlagen hören.
    Auch das, überlegte sie, hätte an der schlichten Tatsache liegen können, daß sie mit Henry in einem Zimmer schlief. Weiß der Himmel, Henry schlief so geräuschvoll, daß jeder wach bleiben mußte, vor allem jeder, der zum zweitenmal tagsüber so wenig geleistet hatte. Henry drehte und wälzte sich. Er stöhnte, schnarchte und keuchte.
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