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Tatsächlich sprach sie überhaupt nicht. Sie schüttelte bloß den Kopf, dessen glattes graues Haar einen charakteristischen schwedischen Knochenbau krönte. Aber ihr Kopf schütteln war von großer Entschiedenheit.
    »Können Sie mir etwas anderes empfehlen?«
    Diesmal schien man Margaret mehr oder weniger zu verstehen.
    »Haus Krohn.«
    Sovastad war trotz seiner kunstvollen Transplantate skandinavischer Urbanität nur eine Kleinstadt, und Margaret sah ein, daß bei steigender Nachfrage die Qualität abnehmen mußte. Haus Krohn war eine Pension, die im wesentlichen wohl von Geschäftsreisenden frequentiert wurde; nichtsdestotrotz sauber, hell und ansprechend.
    Es war ebenfalls belegt. Diesmal lag die Anmeldung in den Händen eines kleinen Jungen mit einer wilden blonden Haartolle, die größer war als sein Gesicht, und seltsamen, eckigen Augen. Er trug ein am Hals offenes weißes Hemd und ein dunkelrotes Halstuch. Er sprach überhaupt kein Englisch, so daß es zwecklos war, sich auch nur nach einer anderweitigen Empfehlung zu erkundigen. Ausländische Gäste waren in Haus Krohn nicht üblich. Der Junge stand hinter einem Tisch (Haus Krohn hatte es nicht zu einem herkömmlichen Rezeptionsschalter gebracht), die Hände um dessen Kanten geklammert, und wünschte Margaret offensichtlich weit fort. Es sah ganz so aus, als hätte sie ihn einigermaßen eingeschüchtert, und Margaret hielt das für ganz selbstverständlich, da sie sah, daß er höchstens zehn oder elf Jahre alt war und kein einziges Wort mit ihr wechseln konnte.
    »Und wohin jetzt?« fragte sie den Taxifahrer.
    Es war erst halb elf, aber die Situation wurde allmählich beunruhigend. Margaret war gespannt, ob der Fahrer vorschlagen würde, sie solle für die Nacht ins K URHUS zurückkehren. Sie wünschte sich jetzt, nicht allein in Sovastad zu sein. Sie nahm an, sie würde bei Henrys schwedischen Freunden Zuflucht suchen können, aber das war das letzte, was sie wollte (weniger noch, als zum K URHUS zurückzukehren), und der ungünstigste Zeitpunkt, an dem sie dies gewollt hätte. Sie würde ungewöhnlich vertrackte Erklärungen liefern müssen, und man würde zwangsläufig mit besorgter Unerbittlichkeit Fragen stellen und Henry wahrscheinlich im selben Geist Bericht erstatten.
    »Frälsningsarmen«, sagte er.
    »Was ist das?«
    »Frälsningsarmen«, wiederholte er. »Was anderes werden sie nicht kriegen können?«
    Das letzte konnte kaum stimmen, dachte Margaret. Sovastad war keine große Stadt, aber sie selbst hatte in der vergangenen Woche mehr als drei Gasthäuser gesehen, wo man unterkommen konnte. Möglicherweise wußte der Taxifahrer, daß alles belegt war. Möglicherweise gab es eine Großveranstaltung in der Stadt, für die alle Betten gebucht waren. Sie entschied, wenigstens einen Blick auf das Etablissement zu werfen, das der Taxifahrer vorgeschlagen hatte.
    Es stellte sich heraus, daß es sich dabei um ein Heim der Heilsarmee handelte.
    »Also nein«, protestierte Margaret, aber es war zu spät. Ein weiblicher Leutnant war unverzüglich erschienen und bat sie weniger hinein, als daß sie sie hineinzog, indem sie sanft, aber sehr entschieden ihren Arm ergriff, als wolle sie damit den Vorgang der Bußfertigkeit einleiten – eiserne Güte offenbarte sich im Gewand des gemeinen Fleisches.
    Das Haus erwies sich als recht ansehnlich (und erstaunlich billig, nach der auffällig plazierten Preistafel zu urteilen). Es entsprach eher einem gewöhnlichen, wenn auch schlichten und blankgeschrubbten Hotel als Margarets Vorstellung von einem Heilsarmee-Heim in England, die sich auf ›Major Barbara‹ als jüngste Autorität stützte. Margarets Zimmer enthielt eine Bibel, ein Buch auf Schwedisch, das die Bibel auslegte, ein Heiligenbild und eine Auswahl schwedischer Traktate; die Institution bot augenscheinlich keinen Hinweis auf einen Vorschriftenkatalog im engeren Sinne.
    Dann jedoch, als Margaret sich eben hingelegt hatte, klopfte es, und der Leutnant, der sie in Empfang genommen hatte, händigte ihr einen Traktat in englischer Sprache aus. Die Schrift trug den Titel ›Läuterung‹, und die Frau überreichte sie, ohne zu lächeln. Margaret war bereits aufgefallen, daß die Frau nur sehr unzulänglich Englisch sprach. Margaret stellte sich vor, daß der englische Traktat die Frucht einer Suche in Kisten und Kästen nach etwas Passendem für die ausländische Besucherin war. Ein wenig rührte sie dieser Aufwand um ihre Person, und sie lächelte so dankbar
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