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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel
Autoren: Baum Vicki
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weg. Elisabeth ließ sogleich von ihm ab, ging zum Schreibtisch hinüber und entschloß sich zu etwas Unangenehmem.
    »Willst du jetzt das Wirtschaftsbuch durchsehen, Kola?« fragte sie, und das klang schuldbewußt.
    »Du weißt doch –« sagte er auffahrend. Elisabeth machte den Mund ganz fest zu und wartete. Sie kannte ihren Mann so genau, daß er nicht mehr nötig hatte, deutliche Sätze an sie zu wenden.
    »Nein, heute. Morgen ist wieder etwas anderes los. Hilf mir doch beim Rechnen. Ich brauche eben Geld –« murmelte sie vorsichtig.
    »Wenn ich Geld hätte, würde ich dir's geben. Geld!« murmelte der Doktor zurück, der sich über eine Rekordspritze hergemacht hatte, die er in Äther wusch. Der Narkosegeruch stieß an Elisabeths Nasenflügel und verhing sich in ihrem Haar.
    »Wofür denn?« fragte Persenthein hinterher.
    »Ich muß endlich bei Markus bezahlen.«
    »Der wartet auch noch. Ich muß auch warten. Vielleicht entschließt sich Herr Profet gelegentlich, die Arztrechnung in Ordnung zu bringen. Dann kommt Markus dran.«
    »Und ich habe bei Raitzolds erinnert – du warst im August täglich auf dem Gut –«
    »Raitzolds haben selber nichts.«
    »Du stehst so komisch mit dem Fräulein – Raitzolds brauchen nie zu bezahlen.«
    »Komisch? Gar nicht komisch. Sie ist ein Prachtmensch, das kannst du glauben.«
    »Mit Röhrenstiefeln –«
    »Schön, mit Röhrenstiefeln. Laß doch den Lohwinckler Tratsch.«
    »Über uns tratschen sie ja auch«, sagte Elisabeth betrübt. Persenthein grunzte nur. Er hatte die Telefonmuschel ins Auge gefaßt wie einen Feind und wartete.
    »Also kein Geld?« fragte Elisabeth. »Was soll ich denn nur bei Markus sagen – mir ist das so peinlich –«
    Wenn Persenthein an seiner Frau die schwache Ähnlichkeit mit Herrn Gymnasialdirektor Burhenne, ihrem Vater, wahrnahm – und diese Ähnlichkeit trat in Momenten besonderer Sorge und Abspannung zutage –, dann wurde er ungeduldig. »Peinlich –!« flüsterte er, was gereizter klang, als wenn er es geschrien hätte. »Peinlich!«
    »Das macht deine Stellung nur noch schwerer, wenn die Leute wissen, daß wir beim Kaufmann Schulden haben.«
    »Woher wissen Sie's denn? Erzählt der Jude das herum? Ich dachte, er ist anhänglich.«
    »Das braucht der gar nicht zu erzählen, Sie wissen's eben. Sie sagen nämlich –«
    »Was denn? Sie sagen, daß ich verrückt bin. Sie sagen, daß ich Magenkatarrh nicht von Scharlach unterscheiden kann und daß der Kreisarzt kommen mußte, weil mir drei Leute an Grippe gestorben sind. Was die alles sagen –«
    »Sie sagen, Markus gibt uns alles billiger, weil er in mich verliebt ist. Und dann kann ich nicht einmal bezahlen. Das ist doch peinlich.«
    »Na also. Wenn er verliebt ist, kann er doch warten«, beschloß Persenthein plötzlich zufrieden. Elisabeth schluckte erst einmal eine kaum greifbare Enttäuschung hinunter, dann fing sie an zu lachen.
    »Standesbewußtsein hast du wohl nicht?« sagte sie und ging auf ihn zu. Es gab noch immer Momente, in denen er ihr Gehen, Kommen, ihr Nähertreten und Bei-ihm-sein spürte, als Glück spürte, als eine Freude, eine Schwingung. Sie erkannte sogleich die Lockerung in seinen Mundwinkeln.
    »Nein. Nicht die Spur«, sagte er zugleich als widerspenstige Antwort.
    »Vielleicht hättest du mit dem teuren Pantostat noch warten sollen?« sagte sie, als sie bei ihm angelangt war; sie lächelte dazu, es war ihr nicht Ernst damit.
    »Ja, sag das nur deinem Seelenfreund. Ich habe zu viel Geld in meinem Laden investiert, sag ihm das; darum kann ich jetzt die Kolonialwarenrechnung nicht bezahlen. Einen Apparat für Bluttransfusion muß ich auch bald haben, soviel ist sicher. Frau Melkin hätte ich am Leben halten können – bis sie mich nach Obanger zu so etwas holen, sind die Frauen immer schon ganz ausgeblutet. Ich habe mir eine kleine Liste von Blutspendern angelegt, alle Blutgruppen, beste Ordnung, wie in einer Klinik, nur der Apparat fehlt. Kostet nicht einmal viel –«
    Bevor noch Frau Persenthein ihren Gedankengang gegen den Apparat kundgeben konnte, kam das Telefongespräch aus Schaffenburg. Elisabeth warf einen scheuen Blick auf Persenthein, dessen Gesicht sich zu einer gleichgültigen Maske zusammenriß, während er die Muschel abnahm, und glitt aus der Tür.
    »Sei still, Rehle«, flüsterte sie draußen. Es war ganz finster in der Diele, und sie spürte das Kind dort mehr, als sie es sah. »Kola hat ein Ferngespräch.« Sie setzte sich auf
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