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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition)
Autoren: Kristin Hannah
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der Crew zu, checkte kurz den Helikopter, informierte die Crew und stieg dann auf der linken Seite ins Cockpit, wo sie ihren Platz einnahm. Tami stieg als Copilotin rechts ein und setzte den Helm auf.
    »Ich checke Schalter und Sicherungen«, erklärte Jolene und zündete den Helikopter. Die Motoren erwachten zum Leben; die riesigen Rotorblätter setzten sich in Bewegung, langsam zuerst und dann, mit einem schrillen Heulen, immer schneller.
    »Operation der Nationalgarde, Raptor Acht-Neun meldet sich ab«, sagte Jolene in ihr Mikrofon. Dann wechselte sie die Frequenz. »Tower. Raptor Acht-Neun, bereit zum Start.«
    Sie setzte den schwierigen Balanceakt in Gang, der nötig war, einen Helikopter abheben zu lassen. Langsam stieg er in die Höhe. Routiniert betätigte sie die Steuerung – ihre Hände und Füße in ständiger Bewegung. Sie schraubten sich in den wolkenlosen Himmel, bis sie nur noch Blau um sich herum hatten. Weiter unter ihnen zeigten sich die blühenden Bäume in ihrer ganzen Farbenpracht. Ein Adrenalinstoß durchströmte Jolene. Wie sehr sie das liebte!
    »Ich hab gehört, Sie hätten Geburtstag, Chief«, sagte der Chef der Crew durch die Sprechanlage.
    »Das ist verdammt richtig«, erwiderte Tami grinsend. »Was glauben Sie, warum sie ans Steuer darf?«
    Jolene grinste zu ihrer besten Freundin und genoss ihre Verbundenheit, die sie so nötig brauchte wie die Luft zum Atmen. Ihr war es egal, dass sie älter wurde, Falten bekam oder abbauen mochte. »Einundvierzig. Meiner Meinung nach kann man es schöner nicht feiern.«
    Poulsbo, Washington, war eine Kleinstadt, die wie ein hübsches, kleines Mädchen am Ufer der Liberty Bay hockte. Die ersten Siedler hatten sich für diesen Ort entschieden, weil er sie mit dem kühlen blauen Wasser, den hohen Bergen und den üppig grünen Hügeln an ihre nordische Heimat erinnerte. Als sie Jahre später ihre Läden an der Front Street errichteten, gestalteten sie sie in skandinavischem Stil. Überall sah man Schnörkel und aufwendig geschnitzte Zierleisten.
    Der Familienlegende der Zarkades gemäß hatte genau dies Michaels Mutter angesprochen, als sie zum ersten Mal die Front Street entlangging. Sie behauptete, sie hätte auf der Stelle gewusst, dass sie sich hier niederlassen wollte. In Dutzenden pittoresker Läden – der seiner Mutter eingeschlossen – wurde wunderschönes Kunsthandwerk aus der Gegend an Touristen verkauft.
    Obwohl die Innenstadt von Seattle nur zehn Meilen Luftlinie vom Ort entfernt lag, war das Pendeln eine einzige Qual. Irgendwann in den letzten Jahren hatte Michael die skandinavisch anmutende Schönheit des Orts aus dem Blick verloren und nur noch auf den zäh fließenden Berufsverkehr und die lange, gewundene Straße von seinem Haus bis zum Fährhafen von Bainbridge Island geachtet.
    Es gab zwei Wege von Poulsbo nach Seattle – einen über Land und einen übers Wasser. Die Fahrt über Land dauerte zwei Stunden, die Überfahrt mit der Fähre von Bainbridge Island bis Seattle fünfunddreißig Minuten.
    Aber dazu kam noch die Wartezeit. Um den Wagen auf die Fähre fahren zu können, musste man sich frühzeitig in eine Schlange einreihen. Im Sommer fuhr Michael oft mit dem Fahrrad zur Arbeit, wenn es aber regnete so wie heute – und an so vielen anderen Tagen im Nordwesten –, dann nahm er den Wagen. Dieses Jahr war der Winter besonders lang und der Frühling verregnet gewesen. Tag für Tag hatte er in seinem Lexus auf dem Parkplatz gesessen und zugesehen, wie das graue Licht der Dämmerung über die Wellen des Puget Sounds gekrochen war. Dann war er auf die Fähre gefahren, hatte den Wagen geparkt und war nach oben an Deck gegangen.
    Heute saß Michael an der zum Hafen gewandten Seite der Fähre an einem kleinen Tisch und hatte seine Arbeit vor sich ausgebreitet: Woerners Zeugenaussage. An den Rändern der Unterlagen klebten wie gelbe Klaviertasten Notizzettel, die einzelne Aussagen betonen sollten, deren Wahrheitsgehalt anzweifelbar war.
    Lügen. Michael seufzte angesichts der Schadensbegrenzung, die vor ihm lag. Sein einstiger Idealismus war durch die jahrelange Verteidigung schuldiger Klienten stark verkümmert.
    Früher hätte er mit seinem Vater darüber geredet, und der hätte alles ins rechte Maß gerückt und Michael daran erinnert, dass sie mit ihrer Arbeit etwas Gutes bewirkten.
    Wir sind die letzte Bastion, Michael, das weißt du doch: die Verteidiger der Freiheit. Lass nicht zu, dass die Bösen dich unterkriegen. Wir verteidigen
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