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Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht
Autoren: Deb Marlowe
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Grund brachte ihn das zum Lächeln.
    „Dayle hat recht. Ich wollte nur, dass du erfährst, warum.“
    Zorn flammte in Sophie auf. „Erwarten Sie Vergebung? Wir sind hier nicht im Theater, wo dem Schurken auf dem Sterbebett alles verziehen wird, nur weil er eine hübsche reuevolle Rede hält. Es sind echte Menschen, keine Schauspieler, in deren Leben Sie herumgepfuscht haben.“
    „Keine Vergebung. Ich will nur, dass die Wahrheit bekannt wird.“ Er schwieg einige Atemzüge lang und sammelte Kraft.
    „Warum also?“, fragte Sophie. „Sagen Sie uns, warum.“
    „Ich bin alt“, begann er. „Ich habe lang und hart für dieses Land gearbeitet und getan, was getan werden musste. Die schweren und schmutzigen Aufgaben, von der Art, wie sie in den Salons nicht gefeiert werden. Alles hinter den Kulissen, wie man so sagt.“ Er hob die Schultern in einer kläglich schwachen Geste. „Lange Zeit war ich zufrieden damit, sogar glücklich. Dann wurde mir bewusst, dass meine Zeit auf Erden begrenzt ist, und plötzlich wurde mir klar, dass niemand meinen Namen kennt. Nur eine Handvoll Leute würde jemals wissen, was ich vollbracht hatte.“ Er sah Sophie unverwandt an. Offenbar wünschte er sich ihr Verständnis. „Bevor ich diese sterbliche Hülle abstreife, will ich Anerkennung. Ich will, dass mein Name in den Geschichtsbüchern steht.“
    „Aber was hat das alles mit Charles zu tun?“, fragte Jack Alden von der Tür aus.
    „Zuerst gar nichts.“ Ihr Onkel blickte flüchtig zu Charles, der näher gekommen war und unversöhnlich dreinblickend am Fuß des Bettes stand. „Ein Halunke, der Politiker sein wollte – ich habe ihn nicht ernst genommen. Keiner hat das. Aber er arbeitete wie besessen, bewies sein Können, bis er bemerkt, gelobt, als leuchtende Zukunft der Partei gehandelt wurde.“ Er schwieg lange, und nur der Klang seines mühsam gehenden Atems erfüllte den Raum.
    „Ihr Name wurde zu häufig erwähnt, und das schließlich auch im Zusammenhang mit der Position, die ich anstrebte. Sie sind jung. Sie werden es überstehen, trotz ihrer Tendenz, sich auf die Seite der Schwachen und Einflusslosen zu stellen.“
    „Sie haben eine Akte über mich geführt“, sagte Charles leise. „Über Jahre hinweg. Es würde mich interessieren, warum.“
    Cranbourne lachte knarrend. „Himmel, Junge, ich führe Akten über jeden. Wenn es in London ein schmutziges kleines Geheimnis gibt, habe ich es zur Hand. Aber warum Sie?“ Er grinste schwach. „Wegen des Briefes, den ich vor Jahren von einem frechen jungen Hund bekommen habe. Erinnern Sie sich nicht? Ein Brief von einem naseweisen kleinen Lausbuben, der mir erzählen wollte, wie ein Gentleman seine Familie zu behandeln hat.“
    „Oh, mein Gott.“ Charles lachte freudlos. Er wandte sich an Sophie. „Das hatte ich völlig vergessen. Ich habe ihm geschrieben und ihn dafür getadelt, dass er dich so vernachlässigt. Er hat nie geantwortet.“
    „Aber ich habe es niemals vergessen“, entgegnete Cranbourne mit einem Anflug seiner alten Kraft. „Ich hatte so ein Gefühl, Sie könnten Ärger machen. Habe Sie im Auge behalten.“ Er nickte zu Sophie. „Wie ich dem Mädchen schon gesagt habe, Wissen ist Macht. Was glauben Sie, wie wir Bonaparte geschlagen haben? Wellington mag ihn auf dem Schlachtfeld niedergemacht haben, aber die wahre Schlacht fand hinter den Kulissen statt. Dort haben wir ihn vernichtet“, schloss er stolz.
    „Klingt wie ein teures Unterfangen“, sagte Charles.
    Cranbourne nickte. „Deutlich teurer, als Sie sich vorstellen können.“ Er hielt plötzlich ertappt inne und starrte Charles an. „Eins muss ich Ihnen lassen, Dayle. Sie sind schlau. Hätte nie gedacht, dass Sie das auch herausfinden.“
    Sophie wurde alles zu viel. All der Schmerz, all die Demütigungen, die Charles in den letzten Monaten erlitten hatte: ihre Schuld. Sie schwankte. Lady Dayle weinte leise vor sich hin. Aber Charles war noch nicht fertig.
    „Sophie“, sagte er sanft.
    Sie schüttelte den Kopf und versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. „Es tut mir so leid“, flüsterte sie.
    „Nein, mir tut es leid, mein Herz, denn da ist noch mehr.“
    Noch mehr? Gott, was konnte nun noch kommen?
    Er blickte zu Cranbourne. „Sagen Sie es ihr.“
    Ihr Onkel sah sie nicht an. Sophie zitterte. Es musste schlimm sein. „Was ist es?“, fragte sie Charles.
    „Ich glaube, er hat dir all dein Geld gestohlen“, entgegnete er grimmig.
    „Welches Geld?“ Sie funkelte ihren Onkel an.
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