Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
Kühlschrank steht eine Flasche Perrier. Wenn du mir ein Glas davon bringst - mit einer Scheibe Limone -, könntest du Glück haben, Mister.«
Daraufhin grinste er - sein altes Grinsen, das sie immer so geliebt hatte. Weil es ein lange bestehendes Eheritual gab, das sie seit der Nacht, in der er ihre Entdeckung gewittert hatte (ja, sie gewittert hatte, wie ein schlauer alter Wolf einen vergifteten Köder wittern würde) und eilig aus Montpelier zurückgekommen war, nicht wieder aufgenommen hatten. Tag für Tag hatten sie immer mehr zugemauert, was er war - ja, so gewiss, wie Montrésor seinen alten Freund Fortunato eingemauert hatte -, und Sex im Ehebett würde der letzte Ziegelstein sein.
Er knallte die Hacken zusammen und salutierte auf britische Art: Finger an der Schläfe, Handfläche nach außen gekehrt. »Jawohl, Ma’am.«
»Aber komm bald«, sagte sie freundlich. »Mama will, was Mama braucht.«
Auf dem Weg die Treppe hinauf dachte sie: Das klappt niemals. Es endet nur damit, dass er dich ermordet. Er glaubt vielleicht nicht, dazu imstande zu sein, aber du weißt das natürlich besser.
Aber vielleicht war das dann in Ordnung. Unter der Voraussetzung, dass er sie vorher nicht quälte, wie er diese Frauen gequält hatte. Vielleicht war jede Lösung in Ordnung. Sie konnte den Rest ihres Lebens nicht damit verbringen, in Spiegel zu starren. Sie war kein Kind
mehr und konnte nicht mit kindlichen Marotten durchkommen.
Sie ging ins Schlafzimmer, warf dort aber nur ihre Handtasche neben den Handspiegel auf den Nachttisch. Dann ging sie wieder hinaus und rief: »Kommst du, Bobby? Ich könnte wirklich eine Erfrischung brauchen!«
»Kommt sofort, Ma’am, tue nur noch Eis rein!«
Und schon trat er aus dem Wohnzimmer in den Flur hinaus, hielt eines ihrer teuren Kristallgläser wie ein Ober aus einer Komödie in Augenhöhe vor sich hoch und machte sich leicht schwankend auf den Weg zur Treppe. Als er die Stufen heraufkam, hielt er das Glas mit der obenauf schwimmenden Limonenscheibe weiter hoch. Die freie Hand lag locker auf dem Geländer; auf seinem Gesicht leuchteten Glück und Fröhlichkeit. Einen Augenblick lang wäre sie fast schwach geworden, aber dann standen ihr Helen und Robert Shaverstone wieder höllisch klar vor Augen: der Junge und seine gefolterte, sexuell missbrauchte Mutter, die in Massachusetts nebeneinander in einem Bach trieben, der an den Ufern schon Eis anzusetzen begonnen hatte.
»Ein Glas Perrier für die Lady, kommt so…«
Im letzten Moment sah sie das Wissen - etwas Uraltes und Vergilbtes und Unheimliches - in seinen Augen aufblitzen. Das war mehr als nur Überraschung; es war schockierte Wut. In diesem Augenblick verstand sie ihn endlich ganz. Er liebte nichts und niemanden, am wenigsten sie. Jede Freundlichkeit, jede Liebkosung, jedes jungenhafte Grinsen und jede rücksichtsvolle Geste - alles nur Tarnung. Er war eine leere Hülse, die nichts als heulende Leere enthielt.
Sie schubste ihn.
Der Stoß war so kräftig, dass Bob einen Dreiviertelsalto in der Luft machte, bevor er auf die Stufen krachte: erst mit
den Knien, dann mit dem Arm, dann voll aufs Gesicht. Sie hörte, wie er sich den Arm brach. Das schwere Waterford-Glas zersplitterte auf einer der nicht mit einem Läufer abgedeckten Holzstufen. Er überschlug sich nochmals, und sie hörte etwas anderes in seinem Inneren knackend brechen. Er schrie vor Schmerzen auf und überschlug sich ein letztes Mal, bevor er zusammengekrümmt auf dem Hartholzboden in der Diele landete, wobei der gebrochene Arm (nicht nur einmal, sondern an mehreren Stellen gebrochen) in einem von der Natur nie vorgesehenen Winkel über dem Kopf nach hinten abgekrümmt war. Der Hals war so verdreht, dass er mit einer Wange auf dem Fußboden lag.
Darcy lief die Treppe hinunter. Auf halbem Weg trat sie auf einen Eiswürfel, rutschte aus und musste sich am Geländer festklammern. Unten sah sie, dass in seinem Genick eine riesige Beule entstanden war, über der sich die weiß werdende Haut spannte, und sagte: »Nicht bewegen, Bob, ich glaube, du hast dir einen Halswirbel gebrochen.«
Sein Auge rollte nach oben, um sie anzustarren. Aus der Nase, die ebenfalls gebrochen zu sein schien, sickerte Blut, und aus dem Mund kam noch weitaus mehr. Es strömte in einem breiten Schwall heraus. »Du hast mich geschubst«, sagte er undeutlich. »Oh, Darcy, warum hast du mich geschubst?«
»Weiß ich nicht«, sagte sie, obwohl sie dachte: Das wissen wir beide. Sie begann zu
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