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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
Autoren: Stephen King
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der Meinung, die beste Literatur sei mobilisierend und bedrohlich. Sie springt einem ins Gesicht. Manchmal schreit sie einem ins Gesicht. Ich habe nichts gegen literarische Prosa, die sich meist mit außergewöhnlichen Menschen in gewöhnlichen Situationen befasst, aber als Leser und Autor interessieren mich gewöhnliche Menschen in außergewöhnlichen Situationen weit mehr. Ich möchte bei meinen Lesern eine emotionale, sogar instinktive Reaktion hervorrufen. Sie zum Nachdenken zu bringen, während sie lesen, ist nicht mein Ding . Das setze ich kursiv hierher, denn ist die Erzählung gut genug und sind die Figuren lebendig genug, löst Denken die Gefühle ab, wenn die Story gelesen und das Buch zugeklappt ist (manchmal mit Erleichterung). Ich erinnere mich, George Orwells 1984 mit etwa dreizehn Jahren mit wachsender Verzweiflung, Wut und Empörung verschlungen zu haben, so schnell ich nur konnte - und was wäre daran schlecht? Vor allem nachdem ich bis heute an diesen Roman denke, wenn es wieder einmal irgendeinem Politiker gelingt (wobei ich an Sarah Palin und ihre niederträchtigen Bemerkungen über »Todes-Ausschüsse« denke), Teilen der Öffentlichkeit einzureden, Weiß sei in Wirklichkeit Schwarz und umgekehrt.
    Hier ist noch etwas, was ich glaube: Betritt man einen sehr dunklen Ort - wie Wilf James’ Farmhaus in Nebraska in »1922« -, sollte man eine helle Lampe mitnehmen und sie auf alles richten. Will man nichts sehen, wozu sollte man sich dann um Himmels willen überhaupt ins Dunkel wagen? Der große naturalistische Schriftsteller Frank Norris war schon immer einer meiner literarischen Idole, und ich habe seit über vierzig Jahren beherzigt, was er zu diesem Thema gesagt hat: »Ich habe niemals gebuckelt; ich
habe nie den Hut vor Moden gezogen und ihn ausgestreckt, um Pennys zu erbetteln. Bei Gott, ich habe ihnen die Wahrheit gesagt.«
    Aber, Steve, sagen Sie, Sie haben in Ihrer Schriftstellerlaufbahn Unmengen von Pennys verdient, und was die Wahrheit betrifft … die ist variabel, nicht wahr? Ja, ich habe mit meinen Storys viel Geld verdient, aber das war ein Nebeneffekt, niemals das Ziel. Romane für Geld zu schreiben ist Schwachsinn. Und es stimmt: Wahrheit liegt im Auge des Betrachters. Geht es jedoch um erzählende Literatur, besteht die einzige Verpflichtung des Autors darin, die Wahrheit in seinem eigenen Herzen zu erforschen. Das wird nicht immer die Wahrheit des Lesers oder die des Kritikers sein, aber solange es die Wahrheit des Verfassers ist - solange er oder sie nicht buckelt oder den Hut vor Moden zieht -, ist alles gut. Für Schriftsteller, die wissentlich lügen, die reales menschliches Handeln durch unglaubwürdiges Verhalten ersetzen, habe ich nichts als Verachtung übrig. An schlechtem Schreiben sind nicht nur beschissener Satzbau und fehlende Beobachtungsgabe schuld; schlechtes Schreiben entsteht meistens aus einer hartnäckigen Weigerung, davon zu erzählen, was Leute wirklich machen - sich beispielsweise der Tatsache zu stellen, dass auch Mörder manchmal alte Damen über die Straße geleiten.
    In Zwischen Nacht und Dunkel habe ich mein Bestes versucht, um festzuhalten, was Menschen tun und wie sie sich unter bestimmten Umständen verhalten könnten. Die Leute in diesen Storys sind nicht ohne Hoffnung, aber sie müssen erkennen, dass selbst unsere kühnsten Hoffnungen (und unsere innigsten Wünsche für unsere Mitmenschen und die Gesellschaft, in der wir leben) manchmal vergeblich sein können. Sogar oft. Aber ich glaube, dass sie auch zeigen, dass Adel sich in erster Linie nicht im Erfolg, sondern in dem Versuch manifestiert, das Rechte zu tun … und dass
alles zum Teufel geht, wenn wir das nicht tun oder uns dieser Herausforderung bewusst verweigern.
    Die Anregung zu »1922« gab das Sachbuch Wisconsin Death Trip (1973) mit Texten von Michael Lesy und Fotos aus der Kleinstadt Black River Falls, Wisconsin. Ich war von der ländlichen Einsamkeit dieser Aufnahmen und der Rauheit und den Entbehrungen auf den Gesichtern vieler der Abgebildeten beeindruckt. Diese Stimmung wollte ich in meine Story übernehmen.
    Als ich im Jahr 2007 auf der Interstate 84 unterwegs war, um im Westen von Massachusetts Bücher zu signieren, hielt ich bei einer Raststätte, um eine typische Gesundheitsmahlzeit à la Steve King einzunehmen: eine Limo und einen Schokoriegel. Als ich aus dem Schnellimbiss kam, sah ich eine Frau mit einem Platten, die ernsthaft mit einem neben ihr parkenden Fernfahrer sprach.
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