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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror
Autoren: Ulrich Tilgner
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Beziehungen vehement widersetzen. Sie sehen darin den Versuch, die zu Zeiten des Kolonialismus nur teilweise gelungene Unterwerfung der Region zugunsten ausländischer Interessen nachzuholen und den Herrschaftsanspruch des Westens über den Orient durchzusetzen. Da sich der Islam als Waffe erwiesen habe, mit der eine kulturelle Überfremdung verhindert werden konnte, werde die Kontrolle der Region jetzt militärisch erzwungen. Im fehlenden internationalen Mandat für den Einmarsch in den Irak habe sich gezeigt, dass dieses einseitige Vorgehen der USA der Ansatz gewesen sei, die Region unter ihren Einfluss zu bringen.
    Tatsächlich haben die USA nicht nur nach Auffassung von UN-Generalsekretär Kofi Annan beim Irakkrieg das Völkerrecht, in dem die zwischenstaatlichen Beziehungen festgelegt sind, nicht eingehalten. Das Gewaltverbot sieht die Rechtfertigung eines Krieges nur in wenigen Ausnahmen vor. Schon seit dem Mittelalter gibt es Versuche, zwischenstaatliche Konflikte zu regeln. Grundprinzipien wie die Anerkennung der Souveränität eines Landes und die Gleichstellung aller Staaten sind bereits Bestandteile der Vereinbarungen zum Westfälischen Frieden, mit dem der Dreißigjährige Krieg beendet wurde. Nach Ende des Ersten Weltkriegs definierte der Völkerbund 1919 die Wahrung des internationalen Friedens als gemeinsames Interesse aller Mitgliedstaaten. Mit der Gründung der Vereinten Nationen wurden bereits vorher geltende Vorstellungen in deren Charta aufgenommen. Darin nimmt der grundsätzliche Verzicht auf die Anwendung von Gewalt, also das Verbot, Kriege zu führen, eine zentrale Stellung ein. Die 1945 beschlossene Charta untersagt den Mitgliedstaaten der UN prinzipiell jede Androhung oder Anwendung von Gewalt in ihren internationalen Beziehungen.
    Eigentlich sind nur zwei sehr eng gefasste Ausnahmen dieses Gewaltverbots vorgesehen. Zum ersten dürfen Staaten sich im Falle eines Angriffs militärisch verteidigen, und zum zweiten muss der UN-Sicherheitsrat darüber entscheiden, ob eine »Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung« vorliegt und somit militärische Maßnahmen ergriffen werden sollen. Obwohl sich die Mitgliedstaaten mit den Prinzipien einverstanden erklärten, wurde diesen in den sechzig Jahren seit Gründung der Vereinten Nationen wiederholt zuwidergehandelt. Dabei hat sich der Charakter von Kriegen im Zeitalter der Globalisierung gravierend geändert. Oft stehen sich keine regulären Armeen gegenüber, da Kriege von Guerillaverbänden wie denen der Hisbollah oder wie im Irak von Aufständischen geführt werden. Schwerer wiegt noch, dass Staaten militärisches Vorgehen nicht mehr als Kriege, sondern als bewaffnete Interventionen bezeichnen, um eine Anwendung des Völkerrechts und der UN-Charta zu unterlaufen.
    Mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Paktes ist eine neue Situation entstanden. Die USA sind nun die alleinige Supermacht und können ihre Politik nahezu uneingeschränkt verfolgen. Denn während der Zeit des Kalten Krieges herrschte eine Art Pattsituation, in der eine Dominanz der Weltpolitik durch eine Supermacht nur um die Gefahr eines weiteren Weltkriegs möglich war. Seit 1991 ist die internationale Politik zunehmend durch den Unilateralismus der USA geprägt, die das Recht beanspruchen, ihre Interessen notfalls auch militärisch durchzusetzen. In den vergangenen Jahren hatten die USA sich geweigert, verschiedene internationale Abkommen anzuerkennen oder zu ratifizieren, so etwa die Einrichtung eines internationalen Strafgerichtshofs oder das Kyoto-Protokoll zur Klimapolitik.
    Wenn Washington es will, wird auf die Einhaltung von UN-RESOLUTIONEN gepocht; sieht die Regierung diese Notwendigkeit nicht, so werden Entscheidungen des Sicherheitsrates auch nicht erzwungen. Durch diesen taktischen Umgang mit internationalem Recht, internationalen Vereinbarungen und Beschlüssen der Vereinten Nationen wird die Normierung internationaler Politik zunehmend erschwert, und es droht eine weitere Verwilderung der internationalen Beziehungen. Die Unfähigkeit der internationalen Gemeinschaft, die Krisen im Irak und in Afghanistan beizulegen, macht die Notwendigkeit eines zwischen den Staaten abgestimmten gemeinsamen weltweiten Vorgehens erforderlich. Mit dem Einsatz der ein neues Betätigungsfeld suchenden NATO oder der Bildung einer »Koalition der
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