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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer
Autoren: S Dessen
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ein weiteres Blech mit Krabbenpastetchen in den Backofen. Monica lehnte an der Küchentheke und untersuchte ihre Haare auf Spliss, wobei sie so träge und gelangweilt aussah wie eh und je.
    »Der helle Wahnsinn?«, fragte Jason. »Was genau?«
    Ich holte Luft, setzte an, es ihm zu erklären, hielt inne. Zu kompliziert, zu umständlich, dachte ich. »Ach, bloß eine kleine Katastrophe nach der anderen«, antwortete ich. »Aber inzwischen läuft alles glatt.«
    Gefolgt von einer ganzen Gruppe Leute mit Gläsern und Häppchen in den Händen, trat in diesem Moment meine Schwester auf die Terrasse. Als sie an uns vorbei die Stufen hinunterging, sagte Caroline gerade laut und deutlich: ». . . repräsentiert eine authentische Symbiose von Kunst und Abfall.« Sie hatte wieder voll ihren Kunsthistoriker-Ton drauf. »Sie werden sehen, die einzelnen Stücke sind wirklich sehr beeindruckend. Zum Beispiel die Engel . . . der Engel als Symbol für die Zugänglichkeit und gleichzeitige Begrenztheit von Religion.«
    Jason und ich wichen etwas zurück, um Carolines Gefolge vorbeizulassen. Offensichtlich waren sie ganz gespannt auf die Führung, das merkte man an ihrem Nicken, ihren gemurmelten, zustimmenden Bemerkungen. Nachdem die Gruppe um die Hausecke verschwunden war, fragte Jason: »Macht Caroline seit neuestem Skulpturen?«
    Ich lächelte. »Nein, sie hat bloß welche gekauft, die sie ganz toll findet.«
    Jason lehnte sich weit zurück, um an der Hauswand entlang zu dem Engel hinüberblicken zu können, um den Caroline und ihre Gruppe nun herumstanden. »Sieht ganz interessant aus«, meinte er. »Aber was den Symbolgehalt betrifft . . . ich weiß nicht so recht. Ich finde, sie sehen einfach aus wie Gartendeko.«
    »Sind sie auch«, antwortete ich. »So was Ähnliches jedenfalls. Aber sie haben auch ihre eigenen Bedeutungen. Meint jedenfalls Caroline.«
    Er betrachtete den Engel noch mal genauer. »Ich finde nicht, dass Material und Aussage besonders gut zusammenpassen. Im Gegenteil, für mein Gefühl lenkt das Material vom Thema ab. Besser gesagt: So bedeutend die Vision des Künstlers vielleicht gewesen sein mag   – am Ende ist und bleibt das Ding aus Schrott.«
    Ich sah ihn an und wusste nicht so recht, was ich darauf erwidern sollte. »Nun, ich denke, es kommt immer darauf an, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet.«
    Jason lächelte mich milde an. »Schrott ist Schrott, Macy«, sagte er. Aus irgendeinem Grund stellten sich mir bei seinem Tonfall die Nackenhärchen auf.
    Ich holte tief Luft. Er hat keine Ahnung, will bloß Konversation machen. »Du wolltest etwas mit mir besprechen?«, fragte ich.
    »Ach ja, stimmt, natürlich.«
    Ich wartete. In der Küche befand sich gerade niemand außer Bert, der Fleischklopse auf einer Platte anrichtete und sich gelegentlich einen in den Mund stopfte. Plötzlich merkte er, dass ich ihn beobachtete, und lächelte verlegen. Ich erwiderte sein Lächeln. Jason wandte den Kopf, um zu sehen, wem mein Lächeln galt.
    »Entschuldige«, meinte ich. »Was wolltest du sagen?«
    Er betrachtete seine Hände. »Ich wollte bloß   –« begann er, unterbrach sich aber gleich wieder, als wäre ihm eine andere, bessere Formulierung für das, was er mir sagen wollte, eingefallen. »Diese Mail, in der ich dir vorschlug, wir sollten uns vorübergehend trennen   – ich weiß, ich habe mich ziemlich ungeschickt verhalten. Aber ich wünsche mir wirklich, dass wir ausführlich über unsere Beziehung reden und darüber, wie und wohin sie sich im kommenden Jahr entwickeln soll. Natürlich nur für den Fall, dass wir gemeinsam beschließen zusammenzubleiben.«
    Ich hörte zu. Ehrlich, ich hörte zu. Aber gleichzeitig nahm ich wahr, was um mich herum vor sich ging: Gelächter, das aus dem Haus drang, die kühle, feuchte Luft an meinem Hals, die Stimme meiner Schwester, die unbeirrbar ihren Vortrag über Form, Funktion und Kontrast hielt.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    »Schon okay.« Jason nickte, als verliefe das Gespräch exakt so, wie er es erwartet hatte. »Geht mir ähnlich, ich weiß auch nicht so richtig. Aber genau an diesem Punkt sollte der Dialog meiner Meinung nach ansetzen. Wie wir uns fühlen, was wir erwarten, welche Grenzen wir vielleicht ziehen wollen, bevor wir uns wieder aufeinander einlassen.«
    ». . . ein klarer Standpunkt, ein sehr eigenwilliger Blickwinkel«, verkündete Caroline in diesem Moment. »Der Künstler kommentiert deutlich, anschaulich und unmissverständlich das
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