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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer
Autoren: S Dessen
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geändert. Meine Mutter kam zwar mit, hatte aber jede Menge Arbeit und ihren Laptop dabei, und ihr Handy klingelte praktisch ununterbrochen (wenigstens hatten wir ihr beigebracht, ab und zu die Mailbox drangehen zu lassen). Und ich hatte wieder angefangen zu laufen, wobei ich jedoch nicht mehr drauf achtete, wie weit oder wie schnell ich lief. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, wie sich das Laufen selbst anfühlte, die Bewegung. Schließlich hatte ich mittlerweile die Erfahrung gemacht, dass es nicht aufs Überqueren der Ziellinie ankommt, sondern auf den Weg bis dorthin.
    Außerdem redeten meine Mutter und ich mehr miteinander. Auch das war uns zu Beginn nicht leicht gefallen; doch die Wochenenden am Meer halfen, vor allem die gemeinsamen Fahrten. Manchmal war zwar Wes dabei oder Kristy, doch ziemlich häufig saßen wir auch allein im Auto. Aus irgendeinem Grund scheint es leichter zu sein, gewisse Dinge auszusprechen, wenn man sich zusammen auf einer einsamen, zweispurigen Landstraße befindet, während in der Ferne allmählich die Sonne untergeht. Denn egal was gesagt wurde   – wir bewegten uns auf jeden Fall weiter. Richtung Horizont.
    Caroline kam ebenfalls fast jedes Wochenende, zusammen mit Wally. Dann wuselte sie im Haus herum, schaute sich an, was sich bisher alles getan hatte, und überlegte, was sie noch verändern könnte. Darüber hinaus beschäftigte sie sich seit kurzem intensiv mit einem Haus, das zwei Grundstücke weiter den Strand entlang lag und zum Verkauf stand. Natürlich hatte sie es sofort von allen Seiten fotografiert und erklärte uns, als sie die Bilder vor uns ausbreitete, dass es zwar renovierungsbedürftig sei, aber nur ein bisschen Arbeit und ein paar gute Ideen brauche. Und dass Wally und sie schon seit längerem darüber nachdächten, sich ein Haus am Meer zuzulegen. Alles noch im Planungsstadium, doch kannte ich meine Schwester gut genug, um zu wissen, dass bei ihr auf viele Vorhers auch immer ein Nachher folgte. Sie sah das Pozential, lange bevor etwas fertig war. Das konnte sie von uns allen eindeutig am besten.
    Ich ging über die Dünen, spürte, wie der Wind an mir zog, mich schob. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass Caroline inzwischen auf der neuen Bank saß, die auf der Veranda stand; vermutlich stellte sie sich gerade diesen Aztekenofen vor. Caroline und meine Mutter winkten mir zu, ich winkte zurück. Dann blickte ich den Strand entlang und schätzte die Strecke ein, die ich zurücklegen musste, um Wes einzuholen. Denn er war bereits vorgelaufen. Ich setzte mich in Trab, spürte meine Füße unter mir im Sand und vernahm die mir unendlich vertraute Stimme in meinem Kopf, die ich jedes Mal hörte, wenn ich anfing zu laufen.
    Weiter so, Macy! Du machst das ganz toll! Und keine Angst, du weißt doch, die ersten paar Schritte sind die schwersten.
    Das stimmte. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich würde meinen Rhythmus nie finden, und hätte nach den ersten Schritten am liebsten wieder aufgegeben. Aber dann lief ichdoch weiter. So wie jetzt. Ich wusste ja: Nur dann würde es weitergehen. Wie jetzt. Der Moment, in dem ich Wes einholte. Jedes Mal rannte ich schließlich doch bis zu diesem Punkt. Dem Punkt, an dem unsere Schatten plötzlich nebeneinander herliefen, er sich mir zuwandte und sich die Haare aus dem Gesicht strich.
    »Du bist echt super in Form«, meinte er.
    »Du doch auch.«
    Ein paar Schritte lang liefen wir schweigend nebeneinanderher, vor uns nichts als Strand und Himmel.
    »Fertig?«, fragte er.
    Ich nickte. »Schieß los, du bist dran.«
    »Okay, dann lass mal sehen . . .«
    Wie immer schlichen wir uns langsam rein, weil sowohl das Laufen als auch das Spiel ganz schön lang dauern konnten. Vielleicht sogar ewig. Zwischen jetzt und immer.
    Ja, man wusste es vorher nicht. Unmöglich.
Für immer
konnte so viele verschiedene Sachen bedeuten. Und
für immer
veränderte sich ständig, doch genau darum ging es.
Für immer,
das konnten zwanzig Minuten sein oder hundert Jahre oder bloß dieser eine einzige Moment. Oder jeder Moment, von dem ich mir wünschte, er würde für immer andauern. Doch es gibt über die Ewigkeit nur eine einzige Wahrheit, die wirklich zählt, und das ist: Sie existiert. Die Ewigkeit. Für immer. In diesem Moment, als ich mit Wes der strahlenden Sonne entgegenlief. Und in allen Momenten, die darauf folgten. Ja, sieh genau hin. Jetzt. Jetzt. Jetzt.

Informationen zum Buch
    Macy weiß, was sie keinesfalls will: Chaos. Denn Chaos macht
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