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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer
Autoren: S Dessen
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nachzudenken.
Ich hatte es getan. Endlich.
    Irgendwann zwischendurch drang Carolines Stimme in mein Bewusstsein. Sie stand offenbar zusammen mit Delia in der Küche und erklärte ihr minutiös, was bisher alles schief gelaufen und wie wir von einer Krise in die nächste gestürzt waren. Und die ganze Zeit über klammerten meine Mutter und ich uns aneinander fest. Ein Gefühl wie ganz oben auf einer Achterbahn: Der Wagen hat sich gerade   – klack klack klack   – zum höchsten Punkt der Schienen gequält und jeder, der drinsitzt, weiß, der steile Anstieg liegthinter einem, jetzt geht es jeden Moment los mit der letzten, rasanten Abfahrt. Aufs Ziel zu, egal wie, egal wo.
    Ich war bereit. Und ich denke, sie auch. Und selbst wenn nicht   – ich würde in der Lage sein, ihr da durchzuhelfen. Der erste Schritt ist immer der schwerste.
    »Okay«, sagte Delia gerade. »Wir machen Folgendes . . .«
     
    »Oh Mann!« Kristy schüttelte den Kopf. »Hat es überhaupt je schon mal so geschüttet?«
    »Kristy«, meinte Delia mahnend.
    Caroline seufzte. »Nein, nein, sie hat doch Recht. Es regnet wirklich in Strömen.«
    »Mmm-hmmm« lautete Monicas Kommentar.
    Ja, es regnete immer noch. Nein, es goss. Stark und heftig. So heftig, dass sämtliche Lampen im Haus immer wieder bedrohlich flackerten. Obwohl das natürlich auch am Sturm liegen konnte, denn auch der Wind blies weiter unvermindert stark. Vor wenigen Minuten hatte unsere örtliche Wetterfee, Lorna McPhail, im Fernsehen mit schreckgeweiteten Augen vor ihrer Wetterkarte gestanden und verkündet, dass man zwar mit ein paar Schauern gerechnet habe, ein derartiger Vorfall jedoch nicht vorhersehbar gewesen sei.
    »Vorfall?«, hatte Caroline gestöhnt, als Lorna sich mal wieder entsetzt zu ihrer Wetterkarte umdrehte. »Das ist doch kein Vorfall. Das ist das Ende der Welt.«
    Wie aufs Stichwort ging Bert mit einem Tablett voller Weingläser hinter ihr vorbei und meinte: »Nö, das Ende der Welt müssen wir uns wohl als noch viel schlimmer vorstellen.«
    Caroline blickte ihn an. »Schlimmer als das?«
    »Absolut«, antwortete er. »Ohne jeden Zweifel.«
    Es war sieben Uhr und die Gäste begannen einzutrudeln.Besser gesagt, sie hockten in der reichlich optimistischen Hoffnung, der Regen würde vielleicht in ein paar Minuten etwas nachlassen, in ihren Autos vor dem Haus. Doch diese Hoffnung würden sie vermutlich bald aufgeben, aussteigen, aufs Haus zurennen und tropfnass hereinstürzen. Auch gut, denn es war alles fertig. Die Party konnte losgehen. Die Appetithappen wurden gerade im Ofen aufgewärmt, die Bar war gut gefüllt, Eiswürfel standen bereit, mitten auf dem großen Esszimmertisch prangte zwischen Blumen und bunten Serviettenstapeln die Torte, auf der mit roter Glasur WILDFLOWER RIDGE   – EIN NEUER ANFANG! geschrieben stand. Außerdem durchzog ein appetitlicher Duft nach Fleischklopsen das Haus. Und wie man weiß, mag Fleischklopse nun wirklich jeder.
    Nachdem Caroline unsere desaströse Situation in sämtlichen traurigen Einzelheiten geschildert hatte, hörte ich von meinem Standort im Arbeitszimmer aus, wie Delia in der Küche das tat, was sie am besten konnte: Ärmel hochkrempeln und loslegen. Innerhalb einer Viertelstunde wurden einige der Tische und Stühle, die wir gemietet hatten, ins Haus geschafft, dekorativ verteilt (»im Bistro-Stil«, wie Delia sich ausdrückte) und mit dicken Vanille-Duftkerzen geschmückt, die sie zufällig dabeihatte, weil sie die Dinger seit einer Brautjungfernparty vor mehreren Wochen im Lieferwagen spazieren fuhr. Per Dimmer wurde   – nur für den Fall, dass der Strom noch ganz ausfiel   – das Licht in sämtlichen Räumen gedämpft, was viel gemütlicher wirkte. Bert und Monica sollten doppelt so viele Appetithappen wie geplant aufbacken, weil Delia mit messerscharfer Logik argumentierte, je mehr die Leute im Bauch hätten, umso weniger würden sie bemerken, dass sie kaum Platz hatten, sich auch nur umzudrehen. Caroline erhielt den Auftrag,eine neue Seifenschale zu besorgen, und Kristy an der Haustür postiert, um jedem Gast beim Eintreten umgehend ein Glas Wein unter die Nase zu halten; denn mit etwas Alkohol auf nüchternen Magen kriegen die Menschen ebenfalls nicht mehr so viel mit, so Delias Argument.
    In der Zwischenzeit lehnten meine Mutter und ich mit einer Großpackung Tempotaschentücher zwischen uns an der Kante ihres Schreibtischs und blickten durchs Fenster in den Regen hinaus.
    »Ich wollte, dass es eine
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