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Zwischen Diesseits und Jenseits

Zwischen Diesseits und Jenseits

Titel: Zwischen Diesseits und Jenseits
Autoren: Jason Dark
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sich, denn plötzlich fegte mir ein Windstoß entgegen. Der gegen mein Gesicht schlagende Wind war eisig, aber es war nicht das Eis des Winters, sondern etwas anderes. Es fühlte sich trocken an. Es war der Wind aus der Dunkelheit, der meine Haare hoch wirbelte und gegen den ich mich anstemmte.
    Er schien aus der Apokalypse zu stammen, denn er heulte jetzt wie ein Tier in meinen Ohren.
    Ich erlebte eine innerliche Angst, obwohl man mir nichts tat. Aber ich ging weiter durch die leere Stadt, die jetzt nur noch den Toten gehörte.
    Es war verrückt, und eine Erklärung konnte ich nicht geben. Alles hatte sich gedreht, ich erlebte mich als Mensch und befand mich trotzdem in den Fängen eines anderen.
    Plötzlich war die Frau da!
    Ich hatte nicht gesehen, woher sie gekommen war. Sie musste eine der Einfahrten oder Gassen verlassen haben, die eigentlich von der Dunkelheit verschlungen wurden. Sie hatte dort gelauert, trat einen großen Schritt nach vorn und blieb vor mir stehen.
    Auch der Wind schlief ein. Das eisige Gefühl um mich herum verschwand, und es wurde so still, das ich das Schaben des linken Fußes hörte, mit dem die Frau über den Boden rieb.
    Sie war angezogen wie ein normaler Mensch. Die Beine steckten in hellen Jeans. Eine dunkle Jacke mit roten Armstreifen hatte sie ebenfalls übergestreift, und rote Klappen sah ich auch auf ihren beiden Schultern. Aber das alles war nebensächlich, denn etwas anderes interessierte mich viel mehr.
    Es war die naturrote Mähne, die sich nicht bändigen ließ und um ihren Kopf herum wehte.
    Haare, die man nicht vergessen konnte. Ebenso wenig wie die Frau, die ich kannte.
    Vor mir stand Dagmar Hansen, die Psychonautin!
    Aus meinem Mund drang kein Wort, obwohl ich so überrascht war. Ich schaute sie nur an und forschte in ihrem Gesicht nach irgendeiner Botschaft.
    Da war nichts zu sehen.
    Sie blickte mich an, und sie hatte den Mund zu einem Lächeln verzogen. Um uns herum passierte nichts. Es gab nichts zu hören, es wehte kein Wind mehr, es waren nur die toten Fassaden der Häuser zu sehen, die wie die Kulisse für einen Endzeit-Film wirkten.
    Ich wollte Dagmar Hansen ansprechen, um sie zu begrüßen und sie etwas zu fragen, doch es war mir nicht möglich. Ich kam mir vor, als hätte mir jemand die Lippen zugenäht. Deshalb ließ ich es bleiben und sagte nichts.
    Sie nickte mir zu.
    Ihre Augen blieben dabei ernst. Kein Wort verließ ihre Lippen. Es war so etwas wie eine Botschaft für mich, die ich auch gern aufnahm, aber nicht verstand.
    Ich wartete darauf, dass sie etwas sagte, aber sie schüttelte nur den Kopf, und über ihre Augen legte sich ein Film aus einer tiefen Traurigkeit.
    »Dagmar?«
    Sprach ich oder hatte ich den Namen nur gedacht?
    Aber sie reagierte, doch was sie tat, das brachte mich durcheinander, denn sie riss ihre Arme in die Höhe und sprang zurück. Sie hatte an mir vorbeigeschaut, als wäre hinter meinem Rücken etwas Schreckliches aufgetaucht, das ich auch sehen wollte, und deshalb drehte ich mich um.
    Der Mann hatte sein Schwert schon erhoben. Ich sah die dunklen und auch langen Haare. Ich sah das sehr männlich geschnittene Gesicht und wusste auch, dass ich ihn kannte.
    Es gelang mir nicht mehr, darüber nachzudenken, denn noch im gleichen Augenblick schlug der Mann mit seinem Schwert zu. Ich warf mich zurück, riss weit die Augen auf, fiel hin – und fand mich in meiner Wohnung auf dem Teppich wieder...
    ***
    Ich war tatsächlich durch die heftige Bewegung aus dem Sessel gerutscht und hätte über mich selbst lachen können, doch diese Reaktion blieb mir im Hals stecken.
    Wie ein kleiner Junge, der sein Spielzeug sucht, hockte ich auf dem Fußboden, wusste zwar, wie ich dorthin gekommen war, aber mit meinem Traum kam ich noch immer nicht klar.
    Etwas mühsamer als gewöhnlich stand ich auf, weil ich noch immer mit den eigenen Gedanken über die jüngste Vergangenheit beschäftigt war, die mich einfach nicht loslassen wollte.
    Neben dem Sessel blieb ich stehen. Mein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass soeben der neue Tag angebrochen war. Dann musste ich mehr als eine Stunde geschlafen und auch geträumt haben.
    Aber welch ein Traum!
    Ich bekam ihn nicht unter Kontrolle, obwohl ich über ihn nachgrübelte. Auch das plötzliche Einschlafen bereitete mir gewisse Sorgen. Ich hatte vor der Glotze gesessen und war plötzlich weg gewesen. Schlagartig. Ich konnte mich zumindest nicht daran erinnern, sanft eingeschlafen zu sein, der Schlaf hatte mich
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