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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen
Autoren: Rona Cole
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vorbei ist und weil ich mich immer noch verraten fühle. Er hätte es ihm nicht sagen dürfen. Weil ich nicht will, dass er es weiß… aber auch dazu hat er auf der Fahrt heute Morgen kein Wort gesagt. Und zum Glück hat er auch nicht wieder vom Kurs angefangen. Vermutlich kennt er mich gut genug, um zu wissen, dass es keinen Sinn macht.
    »Ja, sehr schön. Vielen Dank!« Die Kundin nickt anerkennend.
    »Soll ich ihn einpacken?«, frage ich höflich, während ich einen Tropfen auf meinem Handrücken spüre, der von den angeschnittenen Stielen über meine Haut rinnt.
    »Das wäre nett«, sagt sie und nickt, während sie in ihrer Handtasche nach ihrem Geldbeutel kramt.
    »Folie oder Papier?«, höre ich mich selbst. Automatisiert. So, als wäre das hier ein Tag wie jeder andere und alles wie immer. Und im Grunde ist es das vielleicht sogar.
    »Folie«, antwortet sie und zieht ein riesiges Portemonnaie hervor. »Ist netter zum Verschenken.«
    »Okay.« Ich nehme den Strauß, drehe ihr den Rücken zu und mache mich ans Einpacken. Ich spüre ihren Blick in meinem Rücken.
    »So?« Wieder halte ich ihr den Strauß hin, schlage dabei die letzte Ecke der Folie ein und fixiere sie mit einem schwarzen Blattgold -Aufkleber.
    »Wunderschön.« Sie nickt begeistert. »Was macht das?«
    »Dreiunddreißig«, sage ich, während sie einen Fünfziger aus dem Scheinfach fummelt und ihn auf den Tresen legt.
    Ich reiche ihr den Strauß, greife nach dem Schein, tippe den Betrag in die Kasse, die Lade öffnet sich und ich nehme das Wechselgeld. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie sie die Blumen beinahe liebevoll betrachtet. Sie scheint wirklich zufrieden zu sein.
    »Siebzehn zurück«, sage ich und reiche ihr einen Zehner und Münzen. »Entschuldigung, ich hab keine Fünfeuroscheine mehr.«
    »Das macht nichts. Ich brauche sowieso Münzen für Zigaretten«, sagt sie, lächelt ein wenig ertappt und schiebt mir ein Zweieuro-stück zurück über den Tresen. »Das ist für die Kaffeekasse.«
    »Nicht nötig«, wehre ich ab. Zigaretten... Bevor ich ihn kannte, wusste ich nicht mal, dass zwei Straßenecken weiter vermutlich einer der letzten Automaten Hamburgs hängt.
    »Aber verdient.« Ich mustere sie das erste Mal wirklich. Sie hat ungefähr mein Alter. Blond, aber nicht blass, mit ein paar Sommersprossen. Eigentlich eine typische Frau aus Blankenese. Mit Pferdeschwanz, weißer Bluse, Perlenkette und Designersonnenbrille im Haar… wenn da nicht diese winzige Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen wäre, die sie preisgibt, wenn sie lächelt. Mädchen mit Zahnlücken... aus Blankenese... Shit… Ich sollte mich wirklich zusammenreißen… aber die Gedanken aus meinem Gehirn dringen nicht in mein Herz… Es gehorcht mir nicht… und ich hasse es dafür…
    »Danke«, murmle ich und ignoriere dieses Gefühl, das brennt, in meiner Brust.
    »Schon in Ordnung«, erwidert sie großzügig. »Sie machen hier wirklich tolle Sachen. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.«
    »Oh ich… Wir geben uns Mühe.« Verlegen fahre ich mir durchs Haar.
    »Schönen Tag noch«, sagt sie freundlich. Dann dreht sie sich um und verlässt mit dem Strauß in der Hand den Laden.
    »Gleichfalls«, entgegne ich höflich.
    Meine Tage sind beschissen, seitdem er nicht mehr hier ist. Er hat sich nicht gemeldet. Auch wenn ich für einen winzigen Moment gehofft hatte, er würde es, jetzt, wo er es weiß, vielleicht tun. Weil er ein romantisches Mädchen ist und an die Liebe glaubt… und diesen ganzen Scheiß von wegen, dass man alles schaffen kann. Aber ganz offensichtlich war es ziemlich bescheuert, das zu hoffen.
    Ich hätte wissen müssen, dass es nichts bringt, sich Illusionen zu machen. Es ist einfach vorbei. Ich bin keine Zehn. Und niemand, mit dem er zusammen sein will.
    Resigniert drehe ich mich um und nehme das feuchte Zeitungspapier vom Tisch. Werfe es in den Abfallbehälter, bevor ich die Platte mit Küchenpapier trockenwische und mich dann dabei ertappe, an einem der Bänder zu ziehen, die auf ihren Rollen neben der Folie hängen, damit alle Farben gleich lang sind. Das gelbe müsste man ein bisschen aufwickeln. Mit einem schnellen Handgriff ist es erledigt, ich lege die Schere beiseite und stecke mein Messer zurück in die Hosentasche am Knie. Daniel müsste gleich wieder hier sein, er wollte nur eben die Post…
    Die Ladenklingel ertönt und in Erwartung eines Kunden drehe ich mich zur Tür. Und für einen Moment denke ich, dass mein geschundenes Herz meinem Gehirn
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