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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen
Autoren: Rona Cole
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noch«, entgegne ich.
    »Eigentlich nicht, wenn man es weiß«, widerspricht Daniel. »Man braucht nur eine ganze Weile, bis man dahinter kommt, weil es nicht sehr naheliegend ist.«
    »Ja, vielleicht«, gebe ich zu. »Ich meine, ich wäre nie drauf gekommen.«
    »Das ist sein Plan.« Er lacht.
    »Toller Plan«, erwidere ich ironisch.
    »Es ist nicht leicht für ihn. Diese ganze Situation, in der er steckt. Das heißt nicht, dass ich begrüße, wie er damit umgeht. Aber er hatte es nicht leicht, weißt du. Und was bleibt ihm in seiner Situation denn anderes übrig?«
    »Die Wahrheit wäre vielleicht eine ganz nette Alternative«, schlage ich zynisch vor.
    »Dafür ist in unserer Gesellschaft kein Platz«, sagt Daniel knapp. »Anders sein als andere, etwas nicht zu können, das jeder kann, das vorausgesetzt wird für die einfachsten Dinge, ein eigenes Leben... Das haben sie ihm ziemlich schnell beigebracht. Und dass man für dumm gehalten wird, wenn man um Hilfe bittet. Ich glaube, das ist das Schwerste.«
    »Wie kann so was passieren?«, frage ich. »Also, dass er es einfach nie gelernt hat… in der Schule und…?«
    »Man fällt durchs Raster des Systems und wenn keiner da ist, der einen auffängt, hat man verloren.«
    »Aber er ist doch nicht…« Ich schlucke. Und ich weiß nicht recht, wie ich es sagen soll.
    »Nein, er ist nicht dumm, Josh, ganz sicher nicht«, nimmt Daniel mir die Entscheidung ab. »Es ist einfach nur dumm gelaufen mit seiner Mutter. Und als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte, hat er's nie geschafft, es wieder aufzuholen, weil er zu viel Angst davor hat, dass ihn jemand dafür hält. Zu sagen, dass man Probleme damit hat, erfordert verdammt viel Mut, Josh, vor allen Dingen, wenn man es jemandem sagen muss, der einem was bedeutet… für den man vielleicht perfekt sein will.«
    »Das ist er«, sage ich leise und beinahe mehr zu mir selbst. »Bis auf die Bremen-Sache vielleicht…«
     
     
     

Zahnlücken aus Blankenese
     
    Ben
     
     
    »So?« Mit einem routinierten Lächeln halte ich der Kundin den Strauß hin. Lisianthus. Dazu weiße Rosen, Germini, Veronika und ein paar Santini für ein bisschen mehr Volumen. Ein perfekter, leichter Frühsommerstrauß. Ich muss mich anstrengen, die Mundwinkel oben zu halten. Mir ist nicht nach Lächeln zumute. Und dennoch friert es sich fest auf meinem Gesicht.
    Es ist Mittwoch, kurz nach elf und ich bin hundemüde. Seitdem Josh nicht mehr bei mir ist, schlafe ich schlecht. Also bin ich gegen drei aufgestanden. Ich hätte es sowieso nicht länger ausgehalten, alleine in meinem Bett.
    Ich hab's frisch bezogen. Schon vor ein paar Tagen. Hab seinen Geruch abgewaschen, unsere Laken in die Waschmaschine geknüllt und er hat mir, schon als ich die Trommel geschlossen habe, so wahnsinnig gefehlt. Einen kurzen Moment lang war ich versucht, die Sachen wieder aus der Maschine zu nehmen. Aber es hilft nichts. Er ist nicht mehr hier. Also hab ich auf den Schalter gedrückt. Schlafe in neuer Bettwäsche und doch erinnert mich alles an ihn.
    Daniel war einigermaßen verwundert, als ich heute früh kurz vor halb vier wortlos bei ihm geklingelt hab. Er hatte nach unserem Streit gestern wohl nicht erwartet, mich zu sehen. Und ich bin ihm verdammt dankbar, dass er nicht allzu viel dazu gesagt hat.
    Das Leben geht weiter. Geht seinen gewohnten Gang. Fahrten durch Hamburg mitten in der Nacht. Meine schmutzigen Hände, die sich um einen warmen Becher Kaffee schließen. Blumen, Kunden, die mir sagen, wie gut ich bin, weil sie nichts wissen, meine Runde mit dem Hund. Die leere Bank an der Alster. Und im Radio seit Tagen die große Frage, ob der HSV die Relegation übersteht.
    Melancholie… und mein gebrochenes Herz… Aber irgendwie werd ich's schon überleben… Ich komme zurecht. Ich bin es vor ihm gekommen. Also werde ich es auch nach ihm tun... irgendwann...
    Ich bin nicht im Kurs gewesen gestern. Und ich werde auch nicht mehr hingehen. Obwohl Daniel mich darum gebeten hat. Ich konnte es nicht. Und ich wollte auch nicht. Wir hatten erneut einen Riesenstreit deswegen. Haben uns angeschrien und am Ende hab ich geheult. Wie ein Mädchen. Hab mich eingeschlossen in meiner Wohnung, die Decke angestarrt und die Musik so laut gedreht, dass ich sein Klopfen an der Tür nicht mehr gehört hab.
    Zuerst dachte ich, dass er noch sauer wäre deswegen. Und weil ich ihm ein paar Dinge gesagt hab, die ich nicht so gemeint hab. Aber ich war einfach so wütend auf ihn… weil alles
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