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Zwischen den Sternen

Titel: Zwischen den Sternen
Autoren: John Scalzi
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aussah!
    Ehrlich gesagt fand ich, dass ich in einer solchen Situation auch kein allzu schlechtes Gewissen haben musste. Erwachsene Männer sollten eigentlich in der Lage sein, ein paar einfache arithmetische Berechnungen anzustellen.
    Trotzdem konnte man jemanden nicht auf ewig am ausgestreckten Arm verhungern lassen. »Sie haben meinen Vater ›Major Perry‹ genannt«, sagte ich. »Kennen Sie ihn aus seiner Militärzeit?«
    »Ja«, antwortete er sofort und schien froh zu sein, dass sich das Gespräch wieder in Bewegung setzte. »Aber es ist schon eine ganze Weile her. Ich weiß nicht einmal genau, ob ich ihn wiedererkennen werde.«
    »Ich denke mal, er sieht genauso wie früher aus. Wenn auch mit etwas anderer Hautfarbe.«
    Darüber musste er amüsiert glucksen. »Das kann ich mir vorstellen. Wenn man grün ist, fällt es einem schwerer, sich unauffällig in die Allgemeinheit einzufügen.«
    »Ich glaube kaum, dass er sich hier in irgendetwas einfügen wird«, sagte ich, und sofort wurde mir klar, dass dieser Satz auf mehrere Arten missverstanden werden konnte.
    Natürlich ließ mein Besucher diese Gelegenheit nicht ungenutzt
verstreichen. »Fügt er sich hier nicht ein?«, fragte er und tätschelte Babar.
    »Das habe ich nicht gemeint. Die meisten Menschen hier auf Huckleberry stammen aus Indien, von der Erde, oder haben Eltern, die ursprünglich aus Indien stammen. Es ist eine andere Kultur als die, in der er aufgewachsen ist, mehr nicht.«
    »Ich verstehe«, sagte der grüne Mann. »Eigentlich war ich mir auch ziemlich sicher, dass er gut mit den Leuten hier zurechtkommt. So kenne ich Major Perry. Zweifellos ist das der Grund, warum er hier diesen Job hat.« Mein Vater arbeitete als Ombudsman, als jemand, der den Menschen half, wenn sie in die Mühlen der Bürokratie gerieten. »Wahrscheinlich bin ich nur neugierig, ob es ihm hier gefällt.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich frage mich, ob er damit zufrieden ist, sich vom Rest des Universums zurückgezogen zu haben«, sagte er und blickte zu mir auf.
    In meinem Hinterkopf ging eine Alarmsirene los. Plötzlich wurde mir klar, dass unser nettes Geplauder zu etwas wurde, das kein nettes Geplauder mehr war. Der grüne Mann war nicht wegen eines Freundschaftsbesuches hier.
    »Ich glaube, es gefällt ihm ganz gut.« Ich zwang mich dazu, nicht mehr zu sagen. »Warum?«
    »Reine Neugier.« Wieder tätschelte er Babar, und ich unterdrückte den Drang, meinen Hund zu mir zu rufen. »Nicht jeder schafft den Sprung vom militärischen ins zivile Leben ohne Schwierigkeiten.« Er blickte sich um. »Hier scheint es recht geruhsam zuzugehen. Das dürfte eine große Umstellung sein.«

    »Ich glaube, es gefällt ihm ganz gut«, wiederholte ich und betonte die Worte etwas stärker, damit mein Besucher verstand, wie er sich zu benehmen hatte.
    »Gut«, sagte er. »Und was ist mit Ihnen? Wie gefällt es Ihnen hier?«
    Ich öffnete den Mund, um zu antworten, doch dann schloss ich ihn ganz schnell wieder. Weil … nun ja, weil es wirklich eine gute Frage war.
    Die Vorstellung, in einer Kolonie zu leben, ist viel aufregender als die Wirklichkeit. Manche Leute, die keine Ahnung haben, glauben, dass die Kolonisten da draußen ständig von einem Planeten zum anderen unterwegs sind. Vielleicht leben sie auf einem Planeten, arbeiten auf einem anderen und machen auf einem dritten Urlaub, vielleicht auf der Vergnügungswelt Paradisia. Die Wirklichkeit ist leider viel langweiliger. Die meisten Kolonisten verbringen ihr gesamtes Leben auf ihrem Heimatplaneten und kommen nie dazu, etwas vom Rest des Universums zu sehen.
    Es ist zwar nicht unmöglich, von einem Planeten zu einem anderen zu reisen, aber wenn man es tut, gibt es meistens einen guten Grund dafür. Zum Beispiel, wenn man der Besatzung eines Handelsraumschiffs angehört, die Kernobst und Flechtkörbe zwischen den Sternen herumkutschiert, oder wenn man einen Job bei der Kolonialen Union hat und die glorreiche Karriereleiter eines interstellaren Bürokraten besteigt. Wenn man Sportler ist, winkt alle vier Jahre die KU-Olympiade. Und gelegentlich geht ein berühmter Musiker oder Schauspieler auf große Tournee durch die Kolonien.
    Aber meistens wird man auf einem bestimmten Planeten geboren, lebt auf demselben bestimmten Planeten und stirbt
auf immer noch demselben bestimmten Planeten, worauf man als Geist seinen Nachkommen auf ebendiesem Planeten auf die Nerven gehen kann. Ich finde, daran ist eigentlich gar nichts Schlechtes -
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