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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande
Autoren: E Kellison
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Custo für ihn aus den Trümmern des Turmes geborgen hatte. »Wir sind quitt.« Mit diesen Worten hüllte er sich in Schatten und schritt schweigend davon.
    Custo war allein mit der wachsenden Bestie, Annabella und dem Publikum. Sie hatten ihn verraten, als er sie am meisten gebraucht hatte. Wollten sie ein Monster erleben?
    Nun denn.
    Custo warf den Kopf in den Nacken und heulte den Himmel an. In diesem Geräusch kam seine Wut genauso wie seine Seele zum Ausdruck, er verfluchte Gott und bat ihn zugleich um Erlösung. Licht blitzte auf, und vom Bürgersteig stiegen nebelartige schwarze Schatten auf, mitten in der Stadt wuchsen dunkle Bäume. Das war sein Jagdgebiet mit der Beute, nicht in Käfige, sondern in Gebäude gepfercht. Ihre unzähligen Gedanken verrieten ihm sowohl ihren Aufenthaltsort als auch ihre Vorhaben. Es war so einfach. Zu einfach. Zu viel.
    Feenhafte Stimmen ertönten: Anna. Bella. Anna. Bella. Anna. Bella.
    Annabella stand auf, ihre Augen funkelten. Sie stellte sich in Position und bildete mit den Armen einen Kreis, in den sie keinen magischen dunklen Rauch eindringen ließ. Die kühlen seidigen Schatten wichen hinter ihr zurück, sie ließ sie nicht an Custo heran.
    Die Bestie in ihm brüllte.
    »Nein«, sagte sie. Mit ihrer Magie verhinderte sie, dass die Schatten die Schatten nährten. Sie hatte herausgefunden, wie sie je nach Bedarf das Jenseits herbeirufen oder abblocken konnte. Er hatte es ihr selbst beigebracht, als sie die Sonne hatte aufgehen lassen.
    Wie konnte sie es wagen?
    »Custo oder Wolf … « Gereizt schüttelte sie den Kopf. »Oder wer auch immer du bist. Du willst Schatten? Dann musst du dich erst mit mir auseinandersetzen.«
    Custo musste beinahe lachen. Was hatte dieses zarte Wesen vor?
    Der Wind peitschte durch ihre Haare. Annabella war anmutig und stark, aber in taktischer Hinsicht ahnungslos. Er konnte mit einem Schlag seine Klauen über ihren Bauch ziehen und das Ganze hier beenden.
    Aber das wäre zu einfach. Er wollte ihren Nacken.
    Annabella zuckte, als er seine große Hand um ihren blassen, schlanken Hals legte. Stur schob sie das Kinn nach vorn und starrte ihn unerschrocken an. Wütend. Willensstark. Eine heftige Leidenschaft reizte ihn, das Schlimmste zu tun.
    Wenn er ihr wehtat, zeigte sie es nicht. Aber schließlich war Durchhalten ihre zweite Natur.
    Mit gebleckten Zähnen fauchte er sie an. Sie war eine Nervensäge. Vom ersten Tag an. Widerborstig. Lästig. Renitent.
    Bevor er etwas anderes tat, würde er sie kleinkriegen, ihren Körper und ihren Geist.
    Mit der Hand um ihren Hals zwang er sie hinunter auf den Boden. Sie musste es ein für alle Mal begreifen, musste lernen, wer der Meister war. Dann konnte er mit ihr abschließen. Falls ihre Beine nachgaben, sie hinfiel und sich auf dem Pflaster ihren Dickschädel brach, umso besser.
    Doch ihre Beine gaben nicht nach. Ihr Körper bog sich wie eine Gerte, war der Inbegriff geschmeidiger Kraft. Ihre Bewegungen wirkten vollkommen mühelos. Die Biegung ihres Rückgrates bis zu ihren Beinen signalisierte das Gegenteil von Unterwerfung. Das zufriedene Lächeln auf ihren Lippen zeigte ihm, was er bereits wusste. Dass ihre Seele genauso standhaft war.
    Ihr Gesicht lief rot an. Er könnte sie leicht umbringen und zwar mit Vergnügen. Der Sturm donnerte zustimmend und ließ das archaische Knurren in seinem Kopf widerhallen.
    – Anna. Bella. Anna. Bella. Bella. Bella. Bella. –
    Er könnte den Atem aus ihr herauspressen und drücken, bis sie erstickte und zusammenbrach. Er musste sie lediglich ganz leicht würgen.
    Aber würde ihn das befriedigen? Nicht annähernd.
    Wieso brach sie nicht zusammen?
    Custos Tierverstand suchte nach einer Antwort, nach der Ursache ihres Widerstands. Es musste einen anderen Weg geben, mit dem er zugleich das Geheimnis des menschlichen Willens und die Macht der Sterblichen ergründen konnte.
    Ein Blitz erhellte die Umgebung. Der Augenblick dauerte ewig. Mit seinem gierigen Blick erkannte Custo deutlich die Szenerie. Auf der einen Seite des Trümmerfeldes stand Adam, der mit dunklen nachdenklichen Augen erwartungsvoll zusah. Auf der anderen Seite befand sich Luca, dessen Miene gleichermaßen besorgt und zuversichtlich wirkte. Sie symbolisierten sein Ziel – der eine aus seinem Leben, der andere aus seiner Zeit als Toter – und wollten den Mann mit ihren Gedanken dazu bringen, die Bestie zu überwinden.
    In Custos Griff befand sich Annabella, der Mittelpunkt seines Lebens. Da ihre Kehle
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