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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht
Autoren: Blazon Nina
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einzuladen, wäre eines.«
    »Ach ja? Bei uns Krauts wäre es einfach ein Kinobesuch. Zwei Leute, die dieselben Filme mögen.« Und er setzte noch herausfordernd hinzu: »Bring doch deinen Freund mit, wenn du dich nicht allein mit mir in den Park traust.«
    Alles auf eine Karte setzen – darin war er neuerdings wirklich gut.
    Die unausgesprochene Frage schwebte in der Luft. Doch diesmal war es Madison, die nicht in die Falle tappte.
    »Kein Date?«, fragte sie, ohne die Frage nach ihrem Freund zu beantworten.
    Jay schüttelte den Kopf. »Nur Blade Runner .«
    Sie holte tief Luft, als würde sie sich die Entscheidung wirklich schwer machen.
    Dann klappte sie ihre Tasche auf und kramte darin. Sie zückte einen Stift, lief die Treppen herunter und nahm Jay den Flyer aus der Hand. Rasch kritzelte sie einige Zahlen an den Rand und riss ein viereckiges Stück aus dem Zettel. Eine Telefonnummer.
    Einen elektrisierenden Augenblick lang berührten sich ihre Hände, während Madison ihm das rote Papier in die Hand drückte. Wieder hatte er das Gefühl, in der falschen Zeitzone gefangen zu sein. Gleich wache ich auf. Aber diesmal wollte er nicht aufwachen, um keinen Preis der Welt.
    »Das nennt man übrigens Festnetz«, sagte Madison und tippte mit einem ironischen Lächeln auf die Edding-Zahlen. »Bevor es Handys gab, hat man sich darauf angerufen, um sich zu verabreden.« Und kurz bevor sie durch die Tür ins Haus verschwand, bekam er zum zweiten Mal an diesem Tag ein echtes Madison-Lächeln zu sehen.

dreamcatcher
    e s wurde schon dunkel, als er sich auf den Weg nach Hause machte. Vom Park aus war er auf dem Rückweg eine ganze Weile durch die Stadt gestreift wie ein Schlafwandler, in Gedanken schon beim Treffen mit Madison. Aber nun setzte ein kühler Herbstregen ein und Jay beeilte sich, zur 3. Straße zu kommen.
    Das Haus seines Onkels lag etwas nach hinten versetzt, ein altes Brownstone im holländischen Stil, an dessen Fassade sich Efeu hochrankte. Im Grunde waren es zwei Häuser – doch das Nebenhaus mit der dazugehörigen Garage diente komplett als Werkstatt und Warenlager für Motorradersatzteile und die Fahrräder, die Onkel Matt verkaufte und auch vermietete.
    Onkel Matts ganzer Stolz – seine italienische Laverda – stand halb auseinandergebaut in der offenen Garage. Der Fernseher plärrte in einer Ecke vor sich hin. Er lief in der Werkstatt beinahe Tag und Nacht. Im Moment waren es irgendwelche Ausschnitte aus einem Baseballspiel. Sowohl Onkel Matt als auch Jays Cousin waren Fans der New York Yankees.
    Jay sprintete die breite Treppe zum Wohnhaus hoch. Kaum hatte er den Schlüssel ins Schloss geschoben, erschien hinter der Milchglastür der verschwommene Umriss von Feathers und wurde deutlicher, als der riesige Hund an der Tür hochsprang. Und wie immer gab der Anblick Jay auch heute einen Stich. Es war verrückt: Er hatte Charlie und Berlin noch keine Sekunde vermisst, aber sobald er Feathers sah, traf ihn das Heimweh mit voller Wucht. Auf den ersten Blick glich der helle Retriever seiner Hündin Zara, die er in Deutschland zurückgelassen hatte, aufs Haar. Nur das Bellen zerstörte diese Illusion. Es klang tiefer, rauer, fast heiser und ein bisschen übergeschnappt. Und natürlich hätte Zara nie so eine Show abgezogen. Kaum öffnete Jay die Tür, sprang der Hund an ihm hoch und versuchte, ihn zu Fall zu bringen. »Nein!«, rief Jay gegen das Gebell an. »Aus, Feathers!« Im Versuch, ihn abzuwehren, machte er einen Schritt zur Seite – und wäre beinahe über einen Haufen Turnschuhe und eine Lenkstange gestolpert, die aus irgendeinem Grund an der Wand lehnte. Es roch nach Gummi, Schuhen und Motoröl, in der Ecke stapelten sich Kisten voller Ersatzteile und Fahrradschlösser. Vier neue Fahrräder lehnten noch in Plastik verpackt an der Küchentür. Es war, als hätte die Werkstatt ein Eigenleben und würde versuchen, langsam in die Wohnräume zu kriechen.
    »Schnauze, Feathers!«, kam es von links.
    Der Hund ließ von Jay ab und fegte bellend zum Durchgang zwischen den beiden Häusern. Aidan erschien in der Tür, Jays Cousin. Auch heute trug er ein Sweatshirt, auf dem das Yankees-Emblem NY prangte. Es musste Onkel Matt gehören, denn die Schulternähte hingen Aidan auf halber Höhe seiner sehnigen Oberarme. Schwarze, verschwitzte Strähnen klebten an seiner Schläfe. Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, dass Matt und Aidan Vater und Sohn waren. Sie sahen sich ungefähr so ähnlich wie ein magerer
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