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Zweiherz

Titel: Zweiherz
Autoren: Antje Babendererde
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hatte und nach Deutschland versetzt worden war, hatten Wills Vater und Kayes Mutter ein Verhältnis gehabt. Arthur war durch einen Zufall dahintergekommen. Es war eine schlimme Zeit gewesen, in der sie versucht hatten, Kaye nichts von ihren Problemen merken zu lassen. Das war ihnen gelungen. Bis heute wusste das Mädchen nichts davon und dabei sollte es auch bleiben.
    Kaye lächelte ihren Vater traurig an. »Ja, vermutlich hatte Mom vor Liebe zu dir den Verstand verloren, denn sonst hätte sie niemals so ein rothaariges, sommersprossiges Bleichgesicht geheiratet.«
    Bilagáana - weiße Person, hatte Sophie Arthur manchmal genannt, wenn sie wütend auf ihn gewesen war. Sie hatte es aber auch hin und wieder zärtlich gesagt.
    Kaye legte ihm versöhnlich einen Arm um die Schulter. »Ich liebe dich, Daddy.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange - dorthin wo die Haut weich und ohne Bartstoppeln war. »Ich fahre jetzt rüber zu Rob nach Window Rock, er hat heute Geburtstag. Warte nicht auf mich, ich schlafe bei Shelley.«
    Arthur Kingley seufzte. Kaye war siebzehn und schön wie ein erwachender Morgen. Noch konnte er von ihr verlangen, in der Nacht nach Hause zu kommen. Aber das würde die Beziehung zwischen ihnen nicht einfacher machen. In letzter Zeit widersprach sie ihm oft und hatte aufgehört, seine Ratschläge zu beherzigen. Er hatte Angst, sie zu verlieren, und wusste nicht, wie er es verhindern konnte. War er zu streng, schürte das ihren Trotz und ihren Widerstand nur noch mehr. Also ließ er sie schweren Herzens ziehen.
    »Grüß Robert von mir«, sagte er, »Garland und Rita auch.«
    Kaye ahnte, dass es ihrem Vater schwerfiel, sie nicht zu bitten, doch nach Hause zu kommen. Dass es ihm schwerfiel, ihr nicht zu sagen, dass sie vorsichtig sein sollte, denn in der Nacht war es gefährlich auf den Straßen im Reservat. Auf einer dieser einsamen Straßen war ihre Mutter gestorben.
    Aber sie konnte Auto fahren, seit sie dreizehn war. Und sie konnte es gut, davon hatte er sich mehr als einmal überzeugt. Ihr Vater tat ihr leid, als sie ihn so hilflos sah, aber er würde begreifen müssen, dass sie kein Kind mehr war.
    »Mach ich, Daddy.«

    Kaye sprang die Treppen hinauf in ihr Zimmer. Sie duschte, schlüpfte in ihre Lieblingsjeans - die ausgeblichene mit dem Loch im Knie - und holte ihre weiße Leinenbluse aus dem Schrank. Ihr schweres, leicht rötlich schimmerndes Haar steckte sie am Hinterkopf wieder zu einem Knoten zusammen. Diesen Knoten hatte ihre Mutter sie gelehrt. Sie brauchte nur zwei gebogene Silbernadeln, um ihn zu befestigen.
    Kaye war froh, dass sich - was ihr Äußeres betraf - die Gene ihrer Mutter durchgesetzt hatten. Zugegeben, der rötliche Schimmer in ihrem Haar und die blauen Augen waren nicht sehr indianisch, aber ihre Haut schimmerte dunkel wie die Schale einer Haselnuss, und die winzigen Sommersprossen auf der Nase konnte man nur entdecken, wenn man ihrem Gesicht ganz nahe war.
    Eine »gute Mischung« hatte Sophie ihre Tochter immer stolz genannt und das stimmte wohl auch. Jeder in Window Rock und Umgebung mochte Kaye. Ihre weißen Freunde und die Eltern ihrer weißen Freunde. Leute, die es wie Arthur Kingley aus irgendeinem Grund ins Navajo Reservat verschlagen hatte und die auf diesem Land sesshaft geworden waren - mit Navajo- und Hopi-Indianern als Nachbarn. Und auch die Indianer mochten Kaye, obwohl sie Kingley hieß und zur Hälfte weiß war. Namen zählten im Res nicht viel, der Clan war wichtig. Kaye war vom Red House Clan, weil ihre Mutter diesem Clan angehört hatte. Und ihr Großvater mütterlicherseits hatte zum Bitter Water Clan gehört. Das war es, was sie wissen musste, wenn sie sich jemandem vorstellte.
    Von ihren Schmuckstücken wählte Kaye eine dünne silberne Kette mit einer kleinen Türkisschildkröte und einen breiten Silberarmreif mit eingeritzten Spiralen, die dunkel gefärbt waren vom Säurebad. Sie besaß eine Vielzahl wunderschöner Schmuckstücke, die meisten hatte sie zu ihrer kinaaldá bekommen, ihrer Reifezeremonie. Die beiden Stücke, die sie für den Abend ausgewählt hatte, mochte sie am liebsten.
    Kaye packte ihren Schlafsack in den Jeep und fuhr die dreizehn Meilen nach Window Rock bis zum Haus der Familie Lindsay. Roberts Eltern betrieben die Shell-Tankstelle unten im Ort. Ihr großes, weiß gestrichenes Holzhaus hatten sie sich auf dem felsigen Hügel hinter dem Black Creek gebaut. Wie ein strahlendes Herrenhaus stand es da, umgeben von bewässertem Rasen und
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