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Zwei Wochen danach (German Edition)

Zwei Wochen danach (German Edition)

Titel: Zwei Wochen danach (German Edition)
Autoren: Kathrin Schachtschabel
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dem Koma holen, habe ich ihr nicht gesagt. Eins nach dem anderen.
    Wir sitzen im Wartebereich eine Etage tiefer und feiern ein bisschen. Feiern leise, jeder für sich, mit einem Becher Kaffee und Süßigkeiten aus dem Automaten.
    Raphael bietet mir etwas an, aber ich lehne ab. Trinke nur vorsichtig meinen heißen Kaffee und bin erleichtert. Bei jedem kleinen Schluck sauge ich den Kaffeeduft ein und schließe meine Augen.
    Ralph hat keine großen Verletzungen davongetragen. Es ist nur die Unterkühlung und der Sauerstoffmangel.
    Schlimmer wäre es gewesen, wenn das Flugzeug gleich voller Wasser gelaufen wäre.
    Das erste Mal wage ich daran zu denken, dass der Unfall auch zwei Monate später hätte passieren können. Im Juni, wenn Badende das Ufer säumen. Wenn Kinder auf ihren Luftmatratzen umhertreiben.
    Wäre es dann auch so glimpflich ausgegangen? Müsste sich dann Ralph, wenn er aufwacht, auch noch mit dem Vorwurf belasten, er habe ein paar Kinder auf dem Gewissen?
    Nur, um seinem Hobby nachzugehen?
    Er wäre nicht so stark unterkühlt gewesen, das steht fest. Und die Rettungskräfte hätten vielleicht auch nicht erst vom Regattasee herfahren müssen.
    Aber was bringt dieses „Hätte“ und „Wäre“ schon? Nichts! Was geschehen ist, ist geschehen. Wir haben Glück gehabt, bei allem noch Glück gehabt. Der andere Pilot ist bei dem Absturz ums Leben gekommen.
    Scheiß Fliegerei! Mit einer kräftigen Handbewegung werfe ich meinen Becher in den Mülleimer.
    Als ich wieder zu Renate und Joachim komme, eröffnen sie mir, dass sie nach Hause fahren werden. Sie brauchen ein paar frische Sachen und sie sind erschöpft.
    Ich nicke zustimmend.
    Für den Sonntag vereinbaren wir, uns aufzuteilen. Sie wollen gegen Mittag wieder hier sein.
    Als sie gehen, gibt mir nur Renate die Hand. Ich umarme sie kurz und halte meine Enttäuschung noch ein paar Augenblicke zurück.
    Ich habe ihn nie gemocht, Ralphs Vater.
    Niemals habe ich das so deutlich gespürt wie jetzt. Trotzdem kommen mir die Tränen.
     
    ***

(Kristel)
    Es ist die schlimmste Situation ihres Lebens gewesen, an die sie sich erinnern kann. Kaum hat Kristel den Hörer aufgelegt, rennt sie hinüber ins Bad. Nur die Blicke der Kleinen zu ertragen, ist noch schlimmer.
    Kristel kennt Sebastians Vater nur flüchtig. Aber er ist ein sympathischer Mann. Vom Schicksal gezeichnet. Er hat nicht verdient, dass er jetzt auch noch seinen Sohn verliert.
    Wer hat das schon verdient?
    Als Kristel merkt, dass sie ihr Weinen nicht länger zurückhalten kann, betätigt sie die Toilettenspülung.
    Es ist schwer für sie, die Kinder im Haus zu haben. Sie kann nicht so sein, wie sie will.
    Vielleicht ist es nicht nur schlecht, wenn sie sich etwas zusammennehmen muss. Aber die Trauer quillt in ihr auf und droht sie zu zerreißen.
    Der Ausbruch schafft ihr für kurze Zeit Linderung.
    Kristel setzt sich auf den Rand der Badewanne und das Schluchzen erschüttert ihren Körper von Zeit zu Zeit.
    Sie muss mit dem Abendessen anfangen. Pit und Marcus. Sie sind auf sie angewiesen.
    Kristel nimmt einen Waschlappen vom Stapel und hält ihn unter das Wasser. Wohltuend kühlt er ihr Gesicht. Sie wischt, bis sie ihre klaren, willensstarken Augen erkennt. „Denk an die Kinder, Kristel!“
     
    ***

(Nicole)
    Der Anrufbeantworter blinkt, als wir nach Hause kommen. Raphael drückt die Taste und ich höre gespannt hin.
    Der Mann vom Verein ist dran.
    „Hallo Frau Karstenberger, Arendt hier. Ich wollte mich nach Ihrem Mann erkundigen.“
    Stille.
    „Es ist jetzt achtzehn Uhr. Ich versuche es morgen noch einmal.“
    Klick.
    Ich überlege, ob ich seine Nummer habe. Vielleicht rufe ich ihn morgen früh an, bevor wir zu Ralph gehen.
    In der Küche setze ich Spaghettiwasser auf. Es ist Zeit, mich bei meinen Eltern zu melden, denke ich. Ich nehme das Telefon mit ins Schlafzimmer, um ungestört zu sein. Ob ich ihnen absagen soll? Ohne mich entschieden zu haben, wähle ich ihre Nummer in Gelsenkirchen.
    Mein Bruder ist zu Besuch. „Ich hab schon davon gehört“, sagt er. „Tut mir leid.“
    Erleichtert setze ich mich auf mein Bett. „Ralph hat die ersten vierundzwanzig Stunden überstanden“, berichte ich wie eine Maschine. „Sie lassen ihn noch im Koma, aber er hat gute Chancen.“
    Mein Bruder freut sich.
    „Du kannst Mama sagen, dass sie nicht kommen brauchen. Ich rufe wieder an!“ Schnell drücke ich den Hörer ab. Mir ist nicht nach mehr zumute. Gut, dass nur er am Telefon war.
    Susanne öffnet
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