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Zwei Wochen danach (German Edition)

Zwei Wochen danach (German Edition)

Titel: Zwei Wochen danach (German Edition)
Autoren: Kathrin Schachtschabel
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und lächelt mich an.
    „Ich kann sowieso nicht schlafen“, sage ich nur noch leise und lehne mich nach hinten.
    Ich weiß, dass das nicht stimmt. Das Liegen tut gut. Ich streife mir die Bettdecke über und sie wärmt meinen vor Müdigkeit fröstelnden Körper auf Anhieb. Langsam drehe ich mich zur Wand um und zu dem attraktiven jungen Mann auf dem Poster über Susannes Bett. Es ist mir fast peinlich. Er trägt nur eine Jeans und Tätowierungen an seinen kräftigen Oberarmen.
    Ich spüre, wie Susanne mir über die Stirn streicht und lasse von dem Foto ab. Meine Augen fallen zu. Dann höre ich, wie die Zimmertür ins Schloss einrastet und nehme mir vor, bald wieder aufzuwachen.
     
    ***

(Kristel)
    Bei Heike meldet sich nur der Anrufbeantworter. Kristel beschließt, sich keine Gedanken zu machen. Das würde sich nur auf die Kinder übertragen.
    Stattdessen stellt sie den Küchenwecker ein und nimmt sich vor, es in einer halben Stunde wieder zu versuchen.
    Im Wohnzimmer sieht es chaotisch aus. Kristel seufzt. Die ganzen Murmeln liegen auf dem Boden verstreut, die Murmelbahn ist umgekippt.
    Sie erinnert sich an das Rollen und Klacken, an das Schreien und Stampfen von heute Morgen, als Ludwig mit den beiden Quälgeistern ins Wohnzimmer gegangen war. Für Kristel kam das zu früh. Sie war schockiert gewesen, als sie um sechs auf den Wecker gesehen hatte.
    Sie sammelt die Murmeln in einer Schachtel und verstaut sie im obersten Fach des Wohnzimmerschrankes. Nur fünf Stück legt sie zur Murmelbahn. Dann tritt sie ans Fenster und sieht Pit und Marcus beim Schaukeln zu. Ludwig schiebt den Kleinen nur ganz vorsichtig an. Das macht er mit seinen zwei Jahren schon gut, denkt Kristel.
    Jetzt hat Ludwig sie entdeckt. Kristel sieht, wie er die Lippen bewegt und die Kinder zu ihr zum Fenster hinsehen.
    Marcus ist dran. Er schaukelt mit kräftigen Schwüngen. Und als er wieder nach vorn kommt, lässt er sich los.
    Kristel stockt der Atem. Sie presst sich die Finger vor den Mund und reißt die Augen weit auf. Der Junge fliegt!
    Dann landet er auf dem Po, stützt sich mit seinen Handballen von der Wiese hoch und strahlt über das ganze Gesicht.
    Kristel winkt ab und dreht sich vom Fenster weg.
    Ich seh schon Gespenster, denkt sie und geht zum Telefon.
     
    ***

(Nicole)
    Ein paar Minuten müssen wir noch warten. Dann dürfen wir zu ihm. Wir sitzen vor der Intensivstation. Raphael, Susanne, Renate und ich.
    Ich bin aufgeregt. Nicht so, als würde mein Mann da drinnen im Sterben liegen. Irgendwie anders. Aber ich spüre, dass ich aufgeregt bin. Mein ganzer Körper vibriert.
    Raphael und Susanne unterhalten sich leise. Ich kann nicht verstehen, um was es geht, kann mich nicht genug konzentrieren.
    Renate sitzt da und starrt vor sich hin. Als die Schwester kommt, ist sie die erste, die aufspringt.
    Ich folge ihr, bleibe in der Tür zu Ralphs Zimmer stehen und schaue meinen Mann an. Die ganze Technik um ihn herum macht mir Angst.
    Vor allem der Beatmungsschlauch.
    Es hat sich nichts verändert, denke ich.
    Die Schwester kommt noch einmal zurück und fasst mich beim Arm.
    „Wird schon wieder. Glauben Sie nur dran“, sagt sie und geht mit mir gemeinsam ins Zimmer. Ich höre, wie sie mit Ralph redet, als sie die Infusion austauscht. Dann geht sie nach draußen und Renate und ich schauen uns an. Ich sehe Renates Augen glänzen und spüre, wie auch meine feucht werden.
    Renate setzt sich. Auf den Stuhl in der Ecke, rechts von Ralphs Bett, auf dem gestern Joachim gesessen hat.
    Susanne und Raphael bleiben neben ihrem Vater stehen und ich am Fußende. Susanne weint. Sie beugt sich zu Ralph hinüber und küsst ihn auf die Stirn.
    Als sie sich aufrichtet, nimmt Raphael sie liebevoll in den Arm.
    Ein Schauer weht über meine Arme. Ich bin stolz auf meine Kinder.
    Noch vor zwei Jahren, als Raphael vierzehn und Susanne dreizehn war, haben sie sich die Augen ausgekratzt.
    Ich muss an das Verhältnis zu meinen Geschwistern denken. Und dann fällt es mir wieder ein: Ich habe vergessen, meine Mutter anzurufen.
     
    ***

(Heike)
    Das Telefon klingelt. Schon zum dritten Mal heute Morgen.
    Heike müht sich aus dem Bett. Sie geht die Treppe hinunter und stützt sich mit beiden Händen rechts und links am Geländer ab.
    Sie hat die Stimme ihrer Mutter gehört. Die wird sich Sorgen machen.
    „Es ist besser, wenn die Jungen über die Feiertage bei uns bleiben.“
    Heike ist erleichtert. Sagen kann sie nichts. Nur „Hm.“
    Was los ist, will ihre Mutter
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