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Zwei wilde kleine Hexen

Zwei wilde kleine Hexen

Titel: Zwei wilde kleine Hexen
Autoren: Cornelia Funke
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Wirklich?« Lillis Vater guckte überrascht. Er war sehr nett, ja, wirklich sehr, sehr nett. Aber ständig kochte er Sachen, die Kinder nicht zu schätzen wissen. Und er kochte jeden Tag, denn Lillis Mutter war Ärztin und kam immer erst abends nach Hause. Rosanna konnte verstehen, dass Lilli ständig Hunger hatte.
    Lässig stieß Zorro mit seiner dicken Schnauze Lillis Tür auf und trottete ins Zimmer. Für Rosanna blieb nicht mehr viel Platz.
    Lilli saß an ihrem Schreibtisch und summte »Der Mai ist gekommen« vor sich hin.
    »Ich dichte uns gerade ein Hexenlied«, sagte sie. »Bis morgen Abend musst du es auswendig können.«
    Erst tanzen und jetzt auch noch singen!
    »Ich kann nur brummen«, sagte Rosanna. Entschlossen drängte sie sich an Zorro vorbei und ließ sich auf Lillis Bett fallen. Schmatzend legte der Hund sich neben sie.
    »Hau ab!« Aber sosehr Rosanna auch schubste und schob, Zorro gab ihr nur einen entsetzlich nassen Kuss und blieb liegen.
    »Singen müssen wir auf jeden Fall«, sagte Lilli. »Je falscher, desto hexenmäßiger.«
    »Die Hexen in den Märchen singen aber nie«, stellte Rosanna fest. »Da singen immer bloß die Prinzessinnen. Oder Rumpelstilzchen.«
    »Ach, das sind doch keine richtigen Hexen«, sagte Lilli. »Die sind alle hässlich und fressen Kinder und so was. Alles Quatsch! Hexen sind toll. Ganz toll.« Lilli senkte die Stimme. »Ich glaub, in einem früheren Leben war ich auch mal eine. Echt!«
    Rosanna verdrehte nur die Augen. »Hatte eine von deinen Schwestern nicht mal einen Hexenfimmel?«
    »Mit meinen Schwestern hat das gar nichts zu tun«, sagte Lilli schnippisch. Knallrot wurde sie.
    Ihre Schwestern waren ein wunder Punkt. Wenn Rosanna Lilli ärgern wollte, brauchte sie nur zu sagen: »Genau wie deine Schwestern.« Schon war für ein paar Minuten Funkstille. Und weil Lilli manchmal pausenlos redete, konnte das ganz angenehm sein.
    Auch diesmal war es nicht anders. Stumm und schmollend dichtete Lilli ihr Hexentanzlied weiter. Als Rosanna ihr über die Schultern gucken wollte, hielt sie ihre Hand auf das Blatt und schob es in ein Heft.
    »Ist noch nicht fertig. Aber komm, du musst mir bei was helfen.« Sie fischte eine schmale Schachtel unter ihrem Bett hervor und zog Rosanna ins Bad. Zum Glück wollte Zorro nicht mit.
    »Guck mal, hab ich heute besorgt!«, flüsterte Lilli und zog eine große Tube aus der Schachtel. »Mein halbes Taschengeld ist dafür draufgegangen. Da. Es reicht für uns beide. Obwohl ich nicht weiß, ob es bei schwarzen Haaren wirkt.«
    »Was ist das denn?« Ratlos drehte Rosanna die Tube hin und her. Aber Lilli hielt schon ihre ellenlangen Haare unter die Dusche und hörte nichts mehr.
    »Komm her!«, sagte sie. »Schmier mir die Hälfte auf die Haare. Wie Shampoo.«
    »Du willst dir die Haare färben!«, rief Rosanna entgeistert. »Bist du verrückt geworden? Deine schönen blonden Haare!«
    »Hexen haben aber nun mal rote Haare!« Ärgerlich riss Lilli Rosanna die Tube aus der Hand. Schnell wie der Blitz, als hätte sie so was schon hundertmal gemacht, schmierte sie die dunkle Masse in ihr Haar.
    Als Lilli das geföhnte Ergebnis betrachtete, wurde sie weiß wie ihr Badetuch. Rosanna konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen.
    »Man muss sich erst mal dran gewöhnen«, gab Lilli zu. »Aber es sieht ziemlich hexenmäßig aus, oder?«
    »Es sieht ziemlich karottenmäßig aus«, stellte Rosanna fest.
    Wütend kniff Lilli die Lippen zusammen. »Ich zeig es jetzt Papa«, sagte sie.
    Lillis Vater schnitt gerade Zwiebeln. Mit triefenden Augen sah er sie an. »Wo hast du denn die scheußliche Perücke her?«, fragte er. »Spielt ihr Pippi Langstrumpf?«
    »Das sind meine eigenen Haare«, sagte Lilli. »Ich habe sie gefärbt.«
    »Du hast was?!« Zack, war das Messer im Finger.
    Nachdem Lilli ihren Vater mit einem Pflaster versorgt hatte – wobei er sie die ganze Zeit entsetzt anstarrte –, gingen die Mädchen leicht bedrückt in Lillis Zimmer. »Mag deine Mutter rote Haare?«, fragte Rosanna.
    Lilli antwortete nicht. »Wir haben noch nichts anzuziehen«, stellte sie nur fest. »Komm, wir gucken mal bei meinen Schwestern.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Rosanna beunruhigt. Ihre Nerven waren von der Haarfärberei schon etwas angegriffen.
    »Sie sind alle nicht da. Reiten, Joggen und was weiß ich. Also guck ich in den Zimmern, ob wir was gebrauchen können, und du schiebst Wache.«
    »Tu ich nicht!« Empört schüttelte Rosanna den Kopf.
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