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Zwei Stunden Mittagspause

Zwei Stunden Mittagspause

Titel: Zwei Stunden Mittagspause
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Seine Hand zitterte dabei leicht. »Jetzt ist Benno total verrückt geworden! Mein Gott, er schafft uns alle, er macht uns unmöglich! Er inszeniert einen weltweiten Suchdienst. Er entblößt sich vor allen. Hat er denn jedes Gefühl für Stil verloren? Man sollte ihn in ein Sanatorium bringen, bis Gras über die ganze Angelegenheit gewachsen ist.«
    Nach dem Kaffee fuhr Zumbach sofort zu Großmann. Er traf zuerst auf Dieter, der neben dem Telefon saß und einen Block mit Notizen vollgekritzelt hatte.
    »Sag bloß, diese idiotische Anzeige hat Erfolg!« schrie Zumbach schon an der Tür. »Für 10.000 Mark haben Tausende etwas gesehen! Macht euch doch nicht selbst verrückt!«
    »Neunundneunzig Prozent sind unbrauchbar, das stimmt. Aber ein Prozent bleibt hängen!« Dieter Großmann hielt den Block Zumbach entgegen. »Mit Vater ist nicht mehr zu reden. Die Anzeige … ich habe sechs Stunden lang argumentiert, dann habe ich es aufgegeben. Aber jetzt scheint der Alte doch recht zu haben: Es gibt eine neue Spur …«
    »Wo?« fragte Zumbach. Ein kalter Griff umklammerte sein Herz.
    »Eine Beobachtung.«
    Sie gingen in das Arbeitszimmer Großmanns. Benno saß am Fenster und starrte in den Park seiner Villa. Er rauchte, und wenn nicht der Qualm der Zigarre über seinem Kopf geschwebt hätte, wäre er einer lebensgroßen Puppe sehr ähnlich gewesen.
    »Benno …«, sagte Zumbach mit mühsamer Beherrschung. »Benno, ich kann nicht mehr länger mit ansehen, wie du dich selbst zerstückelst. Diese exhibitionistische Anzeige in der Zeitung …«
    »Sie mußte sein, Heinrich.« Großmann drehte sich in dem Sessel herum. »Ich bin mir das schuldig. Seit einigen Tagen – ich habe nie darüber gesprochen – bin ich der Ansicht, daß du recht hast.«
    »Ich? Wieso? Womit?«
    »Daß Margot noch lebt! Ja, ich spüre es förmlich … sie lebt … hier ganz in der Nähe …« Großmann sprang auf. Dieter reichte ihm den Notizblock der Telefonanrufe. »Du weißt, ich bin Jäger, und ein guter Jäger wittert das Wild. Ich werde alles, alles einsetzen, um Margot zu entdecken …«
    »Und dann?«
    »Dann gebe ich sie frei. Ganz still, ganz ruhig … ein trauriger Bajazzo, kein tötender. Wozu auch? Wir alle irren uns einmal im Leben. Margot war ein herrlicher Irrtum …« Er blickte auf die Notizen und nickte über die mit Rotstift geschriebene.
    »Fahren wir hin.«
    »Wohin?«
    »In die Liebigstraße. Zwei Frauen haben beobachtet, daß Margots Wagen oft in der Liebigstraße geparkt hat. Stundenlang. Warum? Wo ist die Liebigstraße überhaupt?«
    »Draußen, Paps.« Dieter zeigte in eine imaginäre Ferne. »Im Grünen Hügel. Verrückt so etwas …«
    Zumbach senkte den Kopf. Seine Augen röteten sich vor Entsetzen.
    Grüner Hügel. Liebigstraße, natürlich …
    Zwei Straßen weiter lag die Pension Sonneck.
    War der Zeitpunkt gekommen, Benno Großmann zu töten?
    Die beiden Frauen, zwei ältere, unverheiratete Schwestern, die ein kleines Damenschneideratelier in der Liebigstraße unterhielten, sich recht und schlecht davon ernährten und die meiste Zeit des Tages am Fenster saßen, ihre Nähmaschinen surren ließen und alles sahen, was sich auf der Straße bewegte, waren sich sofort einig, als Benno Großmann ihnen ein Foto von Margots Sportwagen zeigte.
    »Ja! Das ist er!« riefen sie wie aus einem Munde. »Der hat hier geparkt!«
    Sie führten Großmann, Dieter und Zumbach zu den beiden Fenstern, vor denen die Nähmaschinen standen. »Dort drüben hat er gestanden. Wir konnten ihn genau sehen.«
    Großmann starrte auf die gegenüberliegende Straßenseite. Auch Zumbach war schweigsam … nur quälten ihn andere Gedanken als Großmann. Was hatten die beiden Alten sonst noch gesehen, fragte er sich. Da glaubt man immer, ein Mensch in einer Großstadt ist das anonymste, unwichtigste, graueste Wesen, und doch sind immer wieder ein paar Augen da, die das Unwichtige registrieren, die beiläufig beobachten und sich dann erinnern. Es gibt kein absolutes Verstecken!
    »Wie oft hat das Auto dort gestanden?« fragte Zumbach mit schwerer Stimme.
    Großmann wandte sich vom Fenster ab und ging in das lange, schmale Zimmer zurück. Er stellte sich an den Kleiderständer, an dem eine Reihe halbfertiger Kleider hingen, vorbereitet zur ersten oder zweiten Anprobe. Mit leerem Blick sah er gegen die Wand. Dieter trat zu ihm und legte ihm den Arm um die Schulter.
    Die beiden alten Damen bekamen wäßrige Augen und falteten die Hände. Ein armer Mann! Seine
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