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Zwei Stunden Mittagspause

Zwei Stunden Mittagspause

Titel: Zwei Stunden Mittagspause
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und kantig geworden.
    »Wir sind jetzt allein«, sagte er gedämpft, als könne man ihn von der Tür doch noch hören. »Ich will meinem Vater helfen, verstehen Sie doch! Wenn Sie soviel gesehen haben … sagen Sie mir ganz klar: Würden Sie den jungen Mann wiedererkennen?«
    »Nein. Unmöglich.«
    »Seinen Anzug vielleicht?«
    »Das schon eher. Er war braun mit weißen Nadelstreifen. Ganz modisch. Deshalb sagte ich ja: Es war ein junger Mann.«
    »Braun mit weißen Nadelstreifen.« Dieter Großmann atmete tief auf. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, Fräulein Lilly. Das hilft uns bestimmt weiter …«
    Am Abend dieses Tages aßen die Großmanns bei Zumbach. Benno zerlegte die Neuentdeckung dieses Tages wie ein Chirurg am Seziertisch eine Leiche. Er sprach ruhig und mit einer erschreckenden Leidenschaftslosigkeit. Ein Mann, der seinen Schmerz bezwungen hatte.
    »Ein junger Mann am Montag«, sagte er. »Zu einer Zeit, als sie angeblich noch beim Friseur war. O Gott, war ich ein gutgläubiges Rindvieh …«
    »Wenn du's nur einsiehst.« Zumbach schob ihm die Kiste mit Zigarren zu. »Laß uns daraus die Konsequenzen ziehen, Benno: Denken wir nicht mehr an Margot.«
    »Bist du verrückt?« Großmann stieß die geballten Fäuste gegeneinander. »Margot ist verschwunden!«
    »Das zu klären, ist Aufgabe der Polizei.«
    »Und außerdem liebe ich sie. Ich liebe sie noch immer … trotz allem.« Großmann warf den Kopf in den Nacken und schloß die Augen. »O Himmel, ihr wißt ja gar nicht, wie Margot lieben konnte …«
    Wortlos verließ Zumbach schnell das Zimmer.

5
    Am schrecklichsten waren die Nächte. Stundenlang lag Zumbach neben Luise wach im Bett, spielte den Schlafenden, mühte sich um einen ruhigen, tiefen Atem und zersprang innerlich fast vor Unruhe. Erst, wenn Luise eingeschlafen war, rutschte er langsam an der Bettrückwand hoch, setzte sich und starrte in die fahle Dunkelheit.
    Es waren nicht Gewissensbisse, die ihn um den Schlaf brachten, sondern die pure Angst, etwas falsch gemacht zu haben und doch noch durch einen Zufall – dem größten Feind aller Täter – entdeckt zu werden.
    Dem Gesetz nach war seine Schuld gering … Leichenbeseitigung, Falschaussage, Irreführung der Behörden, vielleicht noch ein paar andere Strafbestände, deren juristische Bezeichnung er nicht kannte. Das alles waren Dinge, die man mit Hilfe eines guten Rechtsanwaltes und einiger Ärzte hinbiegen konnte. Vom Augenblick der Entdeckung an, daß Margot in seinen Armen inmitten größter Verzückung gestorben war, war er nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen, sondern hatte sich in einem Affekttunnel befunden (ein psychiatrischer Ausdruck, den er einmal in einem Gerichtsbericht gelesen hatte, und der ihm unbegreiflicherweise gefallen hatte, weil er so bildhaft war: ein Mensch in einem dunklen Tunnel, umherirrend, planlos, gesichtslos, willenlos). Später war alles nur ein Selbstschutz, eine Flucht nach vorn, ein Angriff auf die Vernunft. Ja, so konnte man alles darstellen, und es würde kein Gericht geben, das dafür nicht Verständnis aufbrachte.
    Aber seine Panik wurde woanders geboren, in seiner Feigheit nämlich, in seinem Ausweichen vor Konsequenzen. Die Entdeckung der Wahrheit, so simpel sie war, bedeutete das Ende seiner Ehe, denn Luise würde ihm die Geliebte Margot nie verzeihen. Es bedeutete seinen gesellschaftlichen Ruin, die Aufgabe der Villa, den Beginn eines neuen Lebens, das belastet war vom Fluch Großmanns, der ihn überall hin verfolgen würde; denn Bennos Einfluß war groß.
    So saß Heinrich Zumbach jede Nacht im Bett, stundenlang, starrte an die Decke oder gegen die Wand, gepeinigt von Angst und mit immer neuen Plänen spielend.
    Der letzte Plan war der furchtbarste: Wenn Benno eine leise Ahnung bekommt, bringe ich ihn um. Unauffällig. Wie ein Unfall wird es aussehen. Mir wird schon etwas Gutes einfallen …
    Einen Tag später riß es Zumbach beim Frühstück vom Stuhl. In der Morgenzeitung schrie ihm eine schwarz umrandete, halbseitige Anzeige entgegen.
    Großmann rief die Bevölkerung auf, ihm zu helfen!
    Ich setze für den Hinweis, der den Verbleib meiner verschwundenen Frau klärt, einen Preis von DM 10.000, – aus, hatte er am Schluß geschrieben. Jede Beobachtung ist wichtig, der kleinste Fingerzeig kann zum Erfolg führen. Daneben hatte man Margots Bild abgedruckt. Eine hübsche junge Frau, die ihr Haar im Wind wehen läßt.
    »Sieh dir das an!« sagte Zumbach und reichte Luise die Zeitung über den Tisch.
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