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Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.

Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.

Titel: Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.
Autoren: Mady Host
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Eine Fotografie eines nackten, durchgestrichenen Fußes untermalt das Verbot. Lustig! Die müssen hier ja ganz schlechte Erfahrungen mit miefenden Pilgerfüßen gemacht haben. Na ja, so kurz vor dem Ziel, ist eben kein waschechter Wallfahrer mehr so richtig frisch. Unsere perfekt eingelaufen Wanderschuhe tragen uns jetzt die letzten zehn Kilometer nach Santiago. Eigentlich hatten wir mit Meilensteinen gerechnet; diese bleiben aber aus. Die Logik verstehen wir nicht, weil es bereits seit Beginn der letzten 100 Kilometer mindestens im 1000-Meter-Abstand die ersehnten Erkennungszeichen gab. Schade, wir hatten uns nämlich vorgenommen uns abwechselnd an den letzten zehn Markierungen zu fotografieren. Dazu wollten wir dann erstklassige Figuren turnen und Fratzen schneiden. Die finalen Kilometer sind aber auch ohne Meilensteine ein eindrucksvolles Erlebnis. Ich bin stolz und habe das Gefühl auf einer langen Zielgerade zu schreiten. Ich bin kribbelig, aufgeregt, ruhig und zufrieden zugleich. Wir reden nicht viel und gehen diesen Weg zu Ende, als gäbe es nichts Anderes auf der Welt. Eine famose Sinnesempfindung! Schweigend vergleiche ich diesen Zieleinlauf mit dem Ende meines Halbmarathonwettkampfes vor zwei Jahren. Das hier ist etwas völlig anderes, schlussfolgere ich. Auf den letzten Metern des Marathons habe ich meine verbleibenden Kräfte mobilisiert und meine Geschwindigkeit noch einmal so richtig angezogen, um dann ins Ziel zu sprinten. Der Ankunft folgten zwar einerseits entsetzliche Fußkrämpfe aber auch eine überschäumende Euphorie und ein Höchstmaß an Stolz und Freude über die erbrachte Leistung. Hier auf dem Jakobsweg bin ich zwar auch unglaublich stolz, aber die Emotionen sind viel tiefer und nicht mit kurzweiligen Hochgefühlen gleichzusetzen. Im Gegensatz zum Marathon ist hier der eigentliche Weg das tatsächliche Ziel und die letzten Kilometer sind vielmehr als I-Punkt einer langen erfüllenden Reise zu sehen. Statt noch schneller zu laufen, würde ich hier am liebsten ganz langsam entlang schweben. Am Ortseingangsschild von Santiago lassen wir uns von einem deutschen Ehepaar fotografieren und fallen uns beglückwünschend in die Arme.
    Bevor wir uns in die magische Aura der famosen Kathedrale begeben, suchen wir die Herberge, die uns unsere pilgernde Oma wärmstens empfohlen hatte. Wir irren ewig umher und werden von „A“ nach „B“ und wieder zurück über „C“ nach „F“ geschickt. Zwischenzeitlich bin ich drauf und dran erst einmal weiter ins Zentrum zu laufen, um einen anderen Schlafplatz auszukundschaften. Cornelia ist Gott sei Dank beharrlich und irgendwann werden wir fündig. Während der Herbergsjagd begegnen uns sogar die Ladies und es hagelt gegenseitige Beglückwünschungen. Kurz darauf stehen wir vor dem gesuchten Gebäude und bemerken, dass es gut war, so lange nach der empfohlenen Unterkunft zu fahnden! Die Besitzer sind äußerst freundlich und aufgeschlossen und wir erhalten sogar Bettwäsche für unser Doppelstockbett im peinlich sauberen Zwölf-Personen-Schlafzimmer. Schließfächer, eine riesige Küche, einen geräumigen
    Aufenthaltsraum und ein blitzblankes Bad sind die 17 Euro für zwei Übernachtungen definitiv wert. Wir haben hiermit also unsere letzte Lektion gelernt: Wir müssen abwarten UND vertrauen können. Dem Tipp der erfahrenen Rentnerin sind wir gefolgt, weil wir darauf vertraut haben, dass ihre Empfehlung erstklassig sein wird. Wir sind darin nicht enttäuscht wurden.
    Frisch geduscht und ohne Riesenrucksack auf dem Kreuz schlendern wir in die Innenstadt und somit der pompösen Kathedrale entgegen. Auf dem Weg gönnen wir uns Süßkram vom Bäcker und wirken dabei wie zwei ausgehungerte Wildhunde, zurück in der Zivilisation. Als wir uns dem Stadtkern nähern, erblicken wir immer mal ein kleines Stück des beeindruckenden Baus, der sich momentan noch hinter Häuserwänden versteckt. Jetzt spürt Cornelia ein starkes Kribbeln in der Bauchgegend und ist ziemlich aufgeregt und gespannt auf unsere offizielle und endgültige Ankunft. Endlich ist es soweit! Die Kathedrale türmt sich wie ein gigantischer, eleganter Klotz in voller Pracht vor uns auf. Keine Fotografie dieser Welt kann auch nur annähernd zeigen, wie magisch und wunderschön das historische Bauwerk auf seine Betrachter wirkt. Andächtig schweigend stehen wir wie verzaubert vor dem Hauptportal und versuchen, das kirchliche Monument in seiner gesamten Schönheit und Fülle zu erfassen. Auf dem
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