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Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.

Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.

Titel: Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.
Autoren: Mady Host
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bekommen hat. Es handelt sich um ein Wunschband, das mithilfe von drei Knoten befestigt wird. Während des Anbindens hat sich Friedrun etwas gewünscht. Es heißt dieser Wunsch gehe in dem Moment in Erfüllung, in dem sich das Band löst und sie es verliert. Und genau das ist ausgerechnet heute Nacht passiert. Ob es sich in dem Moment löste, als sie die Augen schloss, um das Unwetter wegzuzaubern? Wir stapfen allmählich los und machen außerhalb des Naturschutzgebietes eine kleine Pause zum Zähneputzen.
    Als ich gerade meine Kinderzahnbürste — ich spare Gewicht, wo ich nur kann — hervorkrame, überholen uns die ersten Pilger und gucken ein wenig verdutzt, dass es Leute gibt, die noch vor ihnen die sechs Kilometer nach Pantano de la Grajera zurückgelegt haben. Wir grinsen und genießen es auch mal, zu den Ersten zu gehören. Daran gewöhnen wollen wir uns aber nicht. Aus dem Zelt zu krabbeln, wenn es noch dämmert und in den Semesterferien vor 8:00 Uhr aufzustehen macht für Cornelia und mich auf Dauer absolut keinen Sinn. Wir schlendern minzig frisch weiter und stoppen nach weiteren 30 Minuten beim Anblick praller, dunkler Weintrauben und trotten zum Ernten ins Feld. Als wir das Naturfrühstück gerade genüsslich vertilgen, kommt Alice des Weges, begrüßt uns freudig und erkundigt sich nach unserer Outdoor-Nacht. Wir schwärmen von der Natur und den Sternen, schneiden ihr parallel ein paar Trauben ab und machen uns dann zu viert auf den Weg nach Navarrete.
    Dort schlagen wir für die nächsten drei Stunden vor einer Bar Wurzeln. Es gibt einen „Café con leche“ nach dem anderen und ein köstliches Frühstück, das wir uns im Minisupermarkt zugelegt haben. Hier in Spanien stört es keinen Kellner, wenn man mitgebrachte Speisen verzehrt. Das ist vielleicht auch der Grund warum es kaum „Coffee to go“ gibt. Wir bestellen uns von nun an zum Frühstück also immer einen Café und speisen unsere eintönige Mischung aus Brot, Tomate und Käse gleich unmittelbar in den Bars.
    Das heutige Frühstück ist an Witz jedenfalls kaum zu übertreffen. Wir vier haben einen Irrsinnsspaß und unterhalten das ganze Dorf. Alice hat während ihrer Pilgerreise die Schnarchrhythmen und Klänge der unterschiedlichsten Menschen erforscht. Wenn einer aufhört, setzt manchmal gleich der nächste ein. Sofern sie nachts also nicht schlafen kann, analysiert sie die Herbergsgeräusche, die manchmal nicht NUR von den Schnarchern hervorgerufen werden. Wir kommen auf die grandiose Idee ein Schnarch-Musikvideo zu erstellen, das wir über die Internetplattform „YouTube“ publizieren wollen und welches unter dem Titel „Sounds of Camino“ Bekanntheit erlangen soll. Schon wieder habe ich das Empfinden, mich so verdammt richtig zu fühlen. Hier mit Alice, Conny und Friedrun Kaffee zu trinken, ist toll. Ich bin total entspannt und fühle mich frei von jeglichem Druck und zeitlichen Zwängen. Wann wir weiterlaufen ist total egal und wir sind ungebunden und frei. Das hier muss wohl ziemlich viel mit echtem Glück zu tun haben, denn die beste Glücksgarantie erhält ein Mensch, wenn er sich in einem gut gestrickten Netzwerk aus wundervollen Familienmitgliedern und einigen guten Freunden bewegt. Die guten Freunde haben wir in unserer netten und humorvollen Stuttgarterin und der sympathischen und lustigen Australierin hier auf jeden Fall gefunden. Gegen Mittag haben wir das Bedürfnis weiterzuwandern und laufen über Ventosa nach Nájera. Auf halbem Wege treffen wir auf „Miraculix“. Der weißhaarige Koch hat den Pilgerweg in Deutschland begonnen und ist nun schon seit Anfang Mai auf den Socken. Zwischenzeitlich, als er zu einer verletzungsbedingten Pause gezwungen war, füllte er sein Portemonnaie auf, indem er in Frankreich als Gastronom arbeitete.
    Der Camino-Experte gibt uns noch ein paar Wandertipps mit auf den Weg und wir erreichen am Spätnachmittag den Ort Nájera. Mir tun die Füße heute höllisch weh. Normalerweise ziehe ich gegen Mittag meine Wanderschuhe aus und steige auf Sandalen um. Heute schlüpfe ich also erst nach Erreichen des Etappenziels aus den Boots und verfalle wie in Trance, als ich beginne mir die Füße genau an der Stelle zu kneten, an der die große Zehe in den Vorfuß mündet. Wahnsinn! Den Verkehrslärm um mich herum nehme ich überhaupt nicht mehr wahr. Falls Conny mit mir geredet hat, bemerke ich es nicht. Es tut so unfassbar gut, diese schmerzenden Punkte zu berühren und zu massieren. Ekstatisch dieses
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