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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen
Autoren: Tracy Chevalier
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sehr sie auch über die provinziellen Bälle und Kleider in Lyme lästern mochte, setzte sie doch schönste Hoffnungen darein, im Ballsaal eine gute Partie zu machen.
    Ich selbst war nach dem frühen Fund eines Goldammoniten, der am Strand zwischen Lyme und Charmouth in der Sonne geglitzert hatte, hoffnungslos dem verführerischen Kitzel der Schatzsuche verfallen und immer häufiger am Strand anzutreffen. Damals interessierten sich nur wenige Frauen ernsthaft für Fossilien, denn diese Liebhaberei galt als nicht besonders damenhaft, sondern als schmutzig und mysteriös. Doch das machte mir nichts. Schließlich gab es niemanden, den ich mit meiner Weiblichkeit beeindrucken wollte.
    Es stimmt schon, dass Fossilien ein ungewöhnliches Steckenpferd sind. Als Überreste einstiger Lebewesen finden sie nicht bei jedem Anklang. Denkt man zu lange darüber nach, was man da in Händen hält, nämlich einen Körper, der schon lange tot ist, mag einem das seltsam vorkommen. Noch dazu stammen Fossilien nicht aus unserer Welt, sondern aus einer Vergangenheit, die wir uns heute nur noch schwer vorstellen können. Einerseits macht genau das sie für mich so anziehend, gleichzeitig ist es aber auch der Grund, warum ich lieber Fischfossilien sammele, die mit ihren beeindruckenden Mustern aus Flossen und Schuppen noch eher den Fischen ähneln, die wir jeden Freitag essen, und die damit mehr mit unserer Gegenwart zu tun haben.
    Den Fossilien verdanke ich auch meine erste Begegnung mit Mary Anning und ihrer Familie. Kaum hatte ich eine Handvoll Versteinerungen gesammelt, glaubte ich einen Ausstellungskasten zu brauchen, in dem ich sie ordentlich sortiert präsentieren konnte. Von uns Philpot-Schwestern war ich schon immer diejenige gewesen, die gern organisierte und ordnete. Ich arrangierte Louises Blumen in Vasen und stellte das Porzellan, das Margaret aus London mitgebracht hatte, in Vitrinen aus. Dieses Bedürfnis nach Ordnung führte mich in Richard Annings Kellerwerkstatt in der Unterstadt. Sie lag am Cockmoile Square, wobei Square – Platz – ein recht großspuriges Wort für die kleine, gerade einmal wohnzimmergroße freie Stelle zwischen den Häusern war. Obwohl er sich gleich hinter dem Hauptplatz der Stadt befand, über den die feinen Leute flanierten, waren die Häuser am Cockmoile Square recht schäbig. Dort lebten und arbeiteten die Handwerker, außerdem befand sich an einer Ecke des Platzes noch das winzige Gefängnis der Stadt, das man an den Schlagknüppeln vor der Tür erkannte.
    Selbst wenn man mir Richard Anning nicht als bewährten Möbeltischler empfohlen hätte, wäre ich früher oder später vor seiner Werkstatt gelandet, und sei es nur, um meine Fossilien mit denen zu vergleichen, die dort von der kleinen Mary Anning auf einem Tisch zum Verkauf angeboten wurden. Mary war ein hochgewachsenes, schlankes Mädchen mit den rauen Händen eines Kindes, das nie mit Puppen gespielt, sondern schon immer gearbeitet hatte. Zwei forsche braune Augen machten ihr eher gewöhnliches, flaches Gesicht interessant. Als ich mich näherte, wühlte sie gerade in einem Korb mit Fossilien, fischte Ammoniten heraus und warf sie in verschiedene Schüsseln, als handele es sich um ein Spiel. Selbst in ihrem jungen Alter konnte sie die verschiedenen Ammonitenarten an den Lobenlinien, die sich um den spiralförmigen Körper zogen, unterscheiden. Jetzt blickte sie vom Sortieren auf und sah mich voller Neugierde und Begeisterung an. «Wollen Sie Kuris kaufen, Ma’am? Wir haben hier ein paar schöne Exemplare. Schauen Sie mal, diese hübsche Seelilie kostet nur eine Krone.» Sie hielt einen wundervollen Crinoid hoch, dessen lange Wedel sich tatsächlich wie eine Lilie entfalteten. Ich mag keine Lilien, denn ihr Geruch ist mir zu aufdringlich süß; generell ziehe ich herbere Düfte vor. Meine Bettwäsche lasse ich von Bessy auf den Rosmarinsträuchern im Garten des Morley Cottage trocknen, während sie die meiner Schwestern über den Lavendel legt. «Gefällt sie Ihnen, Ma’am – Miss?» Mary war hartnäckig.
    Ich zuckte zusammen. War es so offensichtlich, dass ich nicht verheiratet war? Natürlich war es das. Erstens fehlte in meiner Begleitung der Ehemann, der auf mich aufpasste und mir meine Wünsche erfüllte. Doch es gab noch etwas anderes, das mir an verheirateten Frauen aufgefallen war: Eine in sich ruhende Selbstgefälligkeit, die daher rührte, dass sie sich keine Sorgen um ihre Zukunft machen mussten. Verheiratete Frauen glichen
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