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Zur freundlichen Erinnerung

Zur freundlichen Erinnerung

Titel: Zur freundlichen Erinnerung
Autoren: Oskar Maria Graf
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Betrunkene lallend und lachte ruckweise, immerfort, glucksend.
    Da wurde der Tisch weggestoßen und stapfend hasteten Schritte vorbei. Wieder das Gezwitscher. Noch geschäftiger. Dann fiel eine Tür krachend zu.
    "Hans!" schrie Anna wütend und riß ihren Mann an der Schulter.
    "Saustall!" stieß die Rienken heraus.
    Krill hob den Kopf und langte lahm nach Anna: "Haha—ha—es ist so wunderschön auf der We—elt, haha—ha!"
    Sein ausgreifender Arm fiel wieder herab. Er sank in die alte Haltung zurück. Dünner Speichel rann aus seinem Mundwinkel. Er schnaubte geräuschvoll wie ein Pferd, das von der Kolik geplagt wird.
    Unter wüstem Gezeter und Gejammer verließ Anna mit ihm die Bar. Sie mußte ihn buchstäblich die Stiege hinaufschleppen.
IV.
    Dieser unerquickliche Vorfall hatte schlimme Folgen. Am andern Tag, sehr früh, schellte es. Krill schlief wie ein Sack. Anna schreckte auf und lief halb angekleidet an die Tür. Der Ausgeher der Hochvogelschen Fabrik brachte die Papiere und den Lohn für Johann. In einem sehr kurzen, ärgerlichen Brief stand, daß sich Krill nicht mehr sehen lassen sollte und entlassen sei.
    "Ja, ja—ist schon recht!" sagte Anna verwirrt und warf die Tür zu. Ohne Johann zu wecken, kleidete sie sich an und ging in die Fabrik hinaus, um Hochvogel zu besänftigen. Auf dem ganzen Wege überlegte sie sich die besten Worte und übte sich in der Art, wie sie den Verärgerten wieder dazu bewegen wollte, daß er stillschweigend über das üble Ereignis hinwegginge.—
    Aber sie wurde nicht vorgelassen. Erbittert und erniedrigt trat sie den Heimweg an.
    "Da!—Das hast du gemacht mit deinen Dummheiten!" fuhr sie den inzwischen erwachten, auf dem Bettrand sitzenden Johann an und warf ihm das Schreiben Hochvogels him. Der blickte stumpfsinnig zu ihr auf und sagte kein Wort. Dies erregte sie nur noch mehr. Sie stampfte schimpfend aus dem Schlafzimmer und rannte zur Rienken hinunter.
    Die Wirtin empfing sie sehr kühl.
    "Herr Hochvogel hat mich wissen lassen, daß er nicht mehr kommt. Ich kann Sie nicht mehr brauchen.—Das ist der Dank dafür, daß ich mich so um Sie angenommen habe," schimpfte sie mit hochgehobenem Kopf. Anna versuchte auf alle mögliche Art, sie umzustimmen. Vergebens.
    "Und überhaupt—glauben Sie, ein solcher Mann wie Hochvogel läßt sich derartige Schmutzigkeiten ins Gesicht sagen! Passen Sie mal auf,—das hat noch ein gerichtliches Nachspiel. Und ich, was hab' ich von meiner Gutmütigkeit?—Vor die Gerichte werde ich gezerrt. Mein Lokal verliert den guten Ruf—ich hab' den Schaden und sitz' in der Patsche,—werden Sie sehen, ob's nicht so kommt?—Sagen Sie es nur ihrem 'Kerl'—am liebsten ist's mir, ihr zieht aus. Basta!" zeterte die Bienken immer bestimmter.
    Auch Anna wurde allmählich ärgerlich und schimpfte.
    "Geh'n Sie bloß aus meinem Lokal, Sie—Sie! So eine krieg' ich alle
Tage!" fauchte die Wirtin wütend, rannte zur Tür und riß sie auf:
"Geh'n Sie bloß aus meinem Lokal!" "Geh'n Sie!" schrie sie, daß ihr
Kopf blau anlief: "Geh'n Sie! Sie—Sie Ludermensch!"
    Auch in Anna platzte die angesammelte Wut nun vollends.
    "Was sagen Sie da, was?! Sie Kupplerin, Sie dreckige!" schrie sie schriller noch. "Solang man sich hergibt, ist man gut, dann kann man gehen, Sie Dreckfetzen!"
    "Geh'n Sie! Geh'n Sie!" pfiff die Wirtin erstickt: "Hinaus da, hinaus!"
    Keifend verließ Anna das Lokal. Zitternd vor Erregung kam sie in ihrer Wohnung an. "Es ist Schluß mit allem! Ich mag nicht mehr!" stöhnte sie erschöpft und sank in einen Küchenstuhl. Unter stoßweisem Weinen und Vorwürfen erzählte sie Johann ihr Mißgeschick. Der hatte den Kopf unter dem Hahn der Wasserleitung und ließ immerfort den kalten Strahl üher ihn herabrinnen. Er drehte sich nicht um. Nicht im mindesten ließ er sich stören. Annas Geduld riß völlig. Sie begann wüst zu schimpfen.
    "Und du!—Du lungerst da heroben herum und läßt mich die Füße ausrennen! Ich kann mich mit den Leuten herumschlagen und die Suppe ausfressen, die du eingebrockt hast!" bellte sie ihn an. "Du! Du Lump!"
    Er drehte sich endlich um. Kein Wort kam aus ihm.
    "So rede doch, Stock!" schrie sie, "was willst du denn jetzt machen? Ich kann nichts mehr tun! Ich bin kaputt!" Er schwieg immer noch. Da stand er, tatsächlich wie ein Stock. Sie zerbrach an seiner Gleichgültigkeit und fiel in ein heftiges Weinen. Es schüttelte sie gerade so. Johann sah ohne Niedergeschlagenheit auf ihre zusammengekauerte, zuckende Gestalt
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