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Zur freundlichen Erinnerung

Zur freundlichen Erinnerung

Titel: Zur freundlichen Erinnerung
Autoren: Oskar Maria Graf
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künstlichem Efeu zu Laubengängen hergerichtet waren, tuschelte es und hin und wieder zirpte ein schrilles Auflachen aus ihrem Dunkel. Eben wollte eine hochbusige duftende Bedienerin mit zuvorkommender Freundlichkeit auf Johann zueilen. Da auf einmal schrie es aus einer Nische: "Um Gotteswillen, Hans!" Und ein hurtiges Getrampel und Knarren wurde hörbar.
    Johann wandte schnell den Kopf dahin und sah hinter einer dichten Weinflaschenparade das pralle, runde, kleinstirnige Gesicht seines Chefs, die Rienken und das totenblasse, entsetzte Gesicht seiner Frau. Die Köpfe der drei hingen auseinander wie schwere Dolden. Geradewegs ging Johann auf sie los und ließ sich in einen der gepolsterten Stühle an ihrem Tisch fallen.
    Eine peinliche Stille trat ein. Jeder hielt jetzt fassungslos den Atem an. Nur Johann schien sicher zu sein.
    "Ich bin nicht zur Schicht gegangen, Herr Hochvogel—ich hab' einen Höllendurst, ich könnt' ein Meer aussaufen," sagte er ohne sichtliche Erregung und lächelte schnell. Das löste eine Entspannung aus. Man atmete wieder und nahm langsam die gewöhnliche Haltung an. Der Fabrikherr schnitt ein malitiöses Gesicht. Er suchte sich zu fassen und griff zum Weinglas.
    "Heiß ist's hier," sagte Johann wieder.
    "Nicht zur Schicht? Aber Johann!?" brachte nunmehr Anna heraus. Die
Rienken erhob sich und verließ den Tisch.
    "Das macht doch nichts, oder? Herr Hochvogel, macht das was aus?" fragte Johann den Fabrikherrn.
    "Na—wissen Sie, meinetwegen,—wir wollen einige gute Schoppen heben—ich kann's verstehen,—ich drück' gern ein Auge zu—bei Ihnen, Herr Krill.—Sie sind mir gut—sie arbeiten zuverlässig, da—da—da übersieht man auch mal einen Seitensprung, Prost!" sprudelte der Fabrikherr verlegen. Die Worte flossen schnell, fast ängstlich aus ihm, so, als wären sie wunderliche Ziegelsteine, mit denen man im Nu eine schützende Mauer um sich schließen könnte.
    "Zu gütig," lispelte Anna bereits.
    Und Herr Hochvogel goß das Glas der Rienken voll und schob es behend dem Arbeiter hin: "Da, trinken Sie!"
    Die ärgste Gefahr schien behoben zu sein. Man konnte es an den allmählich sich wieder aufheiternden Gesichtern sehen. Auch die Wirtin kam wieder an den Tisch und der Fabrikant bestellte in einem fort.
    Johann beachtete das Getue Hochvogels mit seiner Frau auch nicht weiter. Er trank in vollen Zügen und wurde immer lustiger, lachte und machte hin und wieder einen dreisten Witz. Dadurch wurde auch Anna kühner. Sie wich nicht von der Seite des Fabrikherrn und streichelte ihn ein paarmal kosend, warf belustigte Blicke zwischen den beiden Männern hin und her.
    "Hab ich nicht gesagt, Hans, daß er ein netter Mensch ist?" sagte sie übermütig und lachte piepsend.
    "Ein netter Me—ensch! Ein sehr netter Mensch! Ein Goldmensch!" brümmelte Johann schon etwas betrunken und summte weiter: "Verbringt das Geld so gemütlich, so—so—so—" Er wankte bereits him und her und rülpste ungeniert in den Tisch. Gläsern standen seine Augen. Die anderen kicherten.
    "Hat ihn schon mächtig," hörte er Hochvogels Stimme.
    "Na, na! Herr Krill, na—!" rief die Rienken.
    Johann hob den schweren Kopf und glotzte auf das verschwommene Gemeng der drei, die im fahlen Lichtschimmer hinter den Weinflaschen sich hin und her drückten.
    "Ein ne—etter Mensch,—eine richtige Qualle—e—iin dummes Vieh!—Ein geiler Orang—g—kutan, hahahaha—hat den Schwanz eingezogen, weil der Wärter gekommen ist, haha—a—a!—" Johann sank haltlos zurück.
    "Das ist zu stark!" zischte Hochvogel. Der Tisch knarrte. Die Weinflaschen klirrten gegeneinander. Die zwei Frauen lispelten besänftigend. Schnell, überschnell mengten sich ihre flehenden Worte ineinander. Ein Gezerre um den Aufgestandenen begann.
    Mit herabhängenden Armen, halb eingeschlafen, zerfallen hing Johann auf dem Stuhl. "Er ist doch betrunken!" "Bitte, bitte,—er ist's doch nicht gewohnt!" "Er meint's doch nicht übel, Herr Hochvogel!" "Bitte!—Hier, trinken Sie. Er schläft ja schon! Seh'n Sie, seh'n Sie!—Es passiert nie wieder. Ich sag's ihm morgen,—mein Wort, mein Ehrenwort!" alles zerfloß ineinander, bittend, winselnd, aufgeregt, ängstlich.
    Wie ein zischendes Gezirpe umsummte dieses Geplätscher Johanns Kopf.
Als gieße irgend jemand kaltes Wasser üher ihn.
    "Haha! Hat's viellleicht gestoh—lllen und—und wirft's weg,—dadas Gellldt,—wei—weils brennt in der Tasche, haha,—das dumme Vieh, haha—das Arschloch!" grunzte der
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