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Zur freundlichen Erinnerung

Zur freundlichen Erinnerung

Titel: Zur freundlichen Erinnerung
Autoren: Oskar Maria Graf
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hockte er während der Vesperzeit da und starrte dumm ins
Leere. Niemand wußte, ob er um einen freien Tag zur Erledigung seiner
Verehelichung gebeten hatte.
    Drei Tage vor seiner Hochzeit kam er nicht mehr und wurde entlassen, weil er auch kein Entschuldigungsschreiben schickte.—
II.
    Die ersten Wochen der Krillschen Ehe verliefen—wenn man so sagen darf—unterirdisch glücklich. Mit Hilfe Bekannter fand Anna schon einige Tage vor ihrer Hochzeit eine annehmbare, freundliche Dreizimmerwohnung in einem anderen Viertel. Mit den Ersparnissen Johanns wurden Möbel auf Teilzahlung beschafft und zum Schluß hatte man, weiß Gott wie, noch Geld übrig. Man sah das Paar nicht mehr in der alten Gegend. Außerdem vermied es Johann auf der Straße, Leuten, die er zu kennen glaubte, zu begegnen. Furchtsam wich er aus, machte große Bogen vor früheren Bekannten, ja, scheute sogar nicht, ihrethalben große Umwege zu machen. Zu Hause erst, in der Verborgenheit der vier Wände, kam Beruhigung über ihn. Mit zufriedenem Gefühl durchtappte er immer wieder die Räume und bestaunte seine Habschaften und am Ende stand er stets mit verschwommenen Augen vor seinem ständig adrett gekleideten, beweglichen Weib.
    Vorerst dachten die beiden nicht ans Verdienen. Mit tausend Kleinigkeiten verzettelten sich die Tage. Es gab kein geregeltes Dahinleben mehr, keine bestimmte Mittagszeit, kein Weckerläuten in der frischen Frühe, keine Müdigkeit am Abend. Die Nacht war kurz, lästig kurz und oft noch um zehn Uhr vormittags verdüsterten die herabgezogenen Jalousien das dumpfige Schlafzimmer. Und man blieb liegen und liegen.
    Mit der bewußten Neugier, mit der wilden, noch einmal völlig auflodernden, durstigen Liebe erfahrener Frauen, über die das zu frühe Altern schon ihre ersten Schatten geworfen, liebte Anna Johann. Jede ihrer Bewegungen, jedes Wort waren eine stumme, begehrende Aufforderung. Ihre Nähe benahm den Atem, zerrüttete die eben gefaßten Gedankengänge. Wie eine warme, unsagbar wohltuende Gischtwelle ergoß sich ihre Atmosphäre unaufhörlich über Johann.
    Er war nicht mehr!
    Zerschmolzen, zerronnen liefen die Zungen seiner Brunst ohne Unterlaß üher das Meer ihres Körpers.
    Die Zeit war weggeweht, alles schwirrte, rann, floh.—
    Erst ganz langsam wieder festigte sich seine Gestalt, stückweise beinahe. Und es schien, als seien es andere Teile, die sich nun vereinigten. Ein immer klarer werdendes Begreifen keimte auf, wuchs ohne Überstürzung, vermittelte Halt und Festigkeit. Alle Scheu, alle Furcht und Unsicherheit wichen. Auf einmal war Johann Krill ein anderer.
    Jetzt erst kam ihm die Besinnung. Jetzt erst war er eigentlich verheiratet, hatte ein Fundament, besaß Weib und Möbel und so weiter.
    Er erinnerte sich genau. Es war nirgends anders. Im Dorf nicht. In der Stadt nicht. Es war immer das gleiche. Der Bauer, bei dem er zuletzt auf dem Dorfe war, hatte drei Töchter. Ringsum standen größere und kleinere Häuser.
    "Dahinein gehörst du, das ist was Handfestes," ließ er einmal beim Abendessen fallen, der Bauer, und deutete dabei auf den mächtigen Grillhof hinüber. Und die ältere Tochter sah ihn ohne Verblüffung an und sagte: "Der Grillhans braucht bloß kommen." Zur Erntezeit ließ man die ältere Tochter daheim und an einem Abend sagte sie: "Hat schon geschnappt!" Etliche Wochen später gab es eine saftige Hochzeit.
    "Ein' schöne Sach', Hans, ein schöner Hof. Der ist so einen Brocken
Weib wert," lachte der Bauer bei der Hochzeit und schaute seinem
Schwiegersohn in die Augen. Und: "Ja—ja, hast mir's ja auch leicht
gemacht," brummte der Grillhans bierselig.
    Dann kamen die beiden anderen Töchter an die Reihe. Bei der einen vollzog sich die Sache leicht, und bei der jüngsten, die etwas hochnäsig war, ging es schwerer. "Herrgott, Rindvieh!—um so einen Hof ziert man sich doch nicht so! Besinn dich nicht so lang', sag' ich!" brüllte der Bauer sie an und als zufällig an einem der darauffolgenden Abende der gewünschte Werber kam, sagte er zu diesem: "Bleib nur beieinander mit der Zenz. Wir legen uns nieder."
    Und Bauer und Bäuerin gingen schlafen.
    "Ist's so weit?" fragte der Bauer beim Mittagessen andern Tags seine Tochter. Und diese sagte nickend: "Im Frühjahr, meint er. Er will noch den Stall bauen lassen."
    "In Gottesnamen, die paar Monat' sind gleich vergangen. Meinetwegen!" brummte der Bauer und die Sache nahm ihren gewöhnlichen Verlauf. Im Frühjahr gab es wieder eine breite Hochzeit.—
    Es
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