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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen
Autoren: Else Buschheuer
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Kaffee war lauwarm, und laktosefreies Milchpulver gab es auch diesmal nicht. Klarhabbisch war dabei, in der Ecke eine kleine Lebensmitteltheke einzurichten. Die Erlaubnis habe ihm die Vermieterin erst gestern gegeben, sagte er. Nachdem er seine Ehefrau mitgebracht und überdies bei Allah geschworen habe, nicht schwul zu sein.
    »Stellen Sie sich vor, ich hab gestern hier eine Wohnung gemietet, und sie hat mich dasselbe gefragt«, rief ich aus.
    »Und – bisse du schwull?«, fragte Klarhabbisch.
    »Aber nein«, sagte ich.
    »Bei Allah?«, fragte er.
    »Bei Allah!«
    »Klarrisch auch nicht«, sagte er. Aber es gebe jede Menge Schwulle im Haus. Und jede Menge schwulle Stammgäste im Bistro. Der Modedesigner schare eine Meute von »Bübschn« um sich, die nicht nur als Modelle für seine Matrosenhemden dienten.
    Mit nunmehr kaltem Kaffee, den ich zu meiner Erleichterung nicht bezahlen musste, stießen Klarhabbisch und ich auf unsere sexuelle Orientierung an. Ich half ihm, Gewürze, Fladenbrot und Tee in die Regale zu räumen und empfahl mich, um noch vor Büroschluss meinen Mietvertrag zu kriegen.
    Als ich aber bei »Puvogel« klingelte und der Summer ertönte, öffnete mir im Parterre ein Hermann-van-Veen-Typ mit gefärbtem Haarkranz, der abweisend war und angab, mit Frau Puvogel nicht verwandt oder verschwägert zu sein, ja, diese nicht einmal zu kennen. Von mir darauf hingewiesen, dass Frau Puvogel die Besitzerin des Hauses sei und er sie demnach kennen müsse, rief er schnippisch: »Wer's glaubt!«, und schlug mir die Tür vor der Nase zu.
    Nach einigem Herumirren fand ich in der ersten Etage das Büro von Frau Puvogel, Moschus und Costa Cordalis schwappten heraus, als sie mir die Tür öffnete. Sie krakeelte, als sei ich ihr verschollen geglaubter Bruder. Ich lobte ihr giftgrünes Kostüm, sie meine blutrote Krawatte. Ich erzählte ihr von meiner Begegnung mit ihrem Namensvetter. Sie winkte ab, das sei ihr Exmann, ein altes Scheusal. Dann nahm sie meine Bescheinigung entgegen, war begeistert darüber, dass ich beim Mittagskurier arbeitete (»Meine Liepplingszeitung!«), und legte mir den Mietvertrag zur Unterschrift vor.
    Aber dann! Ich Tor! Musste ich wirklich an dieser Stelle nach dem Tuntentower fragen? Frau Puvogels Gesicht verdunkelte sich, sie schnappte nach Luft und zog die losen Blätter wieder weg. Dieser Schmähname betrübe sie zutiefst, stieß sie hervor. Sie sei einer schräcklichen Verschwörung zum Opfer gefallen. Der von einem Mieter, einem Modefuzzi, empfohlene Verwalter habe jahrelangApartments ausschließlich an »warme Brüder« vermietet. Den Modefuzzi hätte ich schon kennengelernt? In seinem Atelier gingen »die Schwulen« ein und aus.
    »Die jungen Männer im Matrosenhemd?«
    »Genau die.«
    Ich zog es vor, zu schweigen. Ihr selbst sei das mit dem Tuntentower erst vor wenigen Wochen zur Kenntnis gekommen, klagte Frau Puvogel, worauf sie den Verwalter umgehend gefeuert hätte. Natürlich unter einem Vorwand. Sonst rücken heutzutage ja gleich Anti-Diskriminierungs-Kommandos an.
    Die Frau war unberechenbar. Vielleicht war sie geisteskrank. Und was das Schlimmste war: Sie hatte meinen Mietvertrag noch nicht unterschrieben. Wiederum beteuerte ich, nicht homosexuell zu sein. Ich schwor sogar bei Mutters Leben. Meine Vermieterin rang mit sich, gewann nach und nach ihre gute Laune zurück und versteckte schließlich neckend den Mietvertrag hinter ihrem massigen Rücken. Ich haschte danach und verhielt mich, wie zu hoffen blieb, tadellos hetero. Frau Puvogel ließ mich schließlich den Mietvertrag unterschreiben, holte einen Sherry aus dem Schrank, der nach Hustensaft schmeckte, prostete mir zu und richtete Schnittchen an, Pumpernickelbrote in Sternform, die sie mit Lachscreme aus der Tube beschmierte und in deren Mitte sie jeweils ein welkes Radieschen drückte. Da Mutter zu sachlichen Broten neigte, fühlte ich mich von Frau Puvogels Lebensmittelverzierungen erst abgestoßen, doch dann verzehrte ich alles bis auf den letzten Krümel.
    »Nanü, wohl hungrig?«, sagte Frau Puvogel und: »Jetzt kriegen sie was auf die Rippen, Sie armer, armer Junge!«
    Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange, der sich anfühlte, als sei eine Zunge im Spiel. Ich zuckte leicht zurück, sagte jedoch nichts.

FRAU PUVOGEL
UND DIE SCHWULE WELT VERSCHWÖRUNG
    Irene Puvogel kennt das Leben. Als sie jung war, lag es vor ihr in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit. Es lockte, es schmeichelte, sie hatte Flausen im Kopf, wie
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