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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn
Autoren: Robert Asprin
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wird?«
    Samlor nickte. »Ja, das habe ich gehört.«
    »Ein haariger, langschwänziger Dämon mit reißenden Zähnen.« Der junge Mann lächelte. »Heutzutag macht man seine Witze darüber, denn wer glaubt schon noch an so was? Trotzdem stimmt es, daß Heqts erster Priester hier verschwand ... Und voriges Jahr warb Alciron Foin zehn kräftige Burschen an und ging mit ihnen in den Tempel, um seine Frau zu suchen. Niemand sah die zehn Männer je wieder, aber Foin fand man am nächsten Morgen auf der Straße. Er lebte noch, obwohl man ihm die Haut abgezogen hatte.«
    Samlor trank den letzten Schluck Sauermilch. »Das könnten auch Menschen getan haben«, meinte er.
    »Wäre es Euch lieber, mit solchen Menschen zu tun zu haben, als mit einem Dämon?« fragte der Einheimische lächelnd.
    Stumm blickten die beiden auf den Tempel. »Möchtet Ihr etwas zu trinken?« fragte Samlor plötzlich.
    »Nein, danke.«
    »Ihr sagt, dieser Mann suchte seine Frau?« Des Cirdoniers Blick ruhte weiter auf dem dunklen Tempel.
    »Ja. Man raunt, daß viele Frauen durch die Tunnel in den Tempel gehen. Man munkelt von Fruchtbarkeitsriten und daß die Priester mehr mit der Empfängniszunahme zu tun haben als die Rituale - aber welcher Mann vermag schon zu sagen, was Frauen heimlich tun?«
    »Und der Dämon?«
    »Vielleicht hilft er bei der Empfängnis?« Samlor hatte das Gesicht abgewandt, um das Lächeln des andern nicht sehen zu müssen. Trotzdem spürte er es, denn es schien den Worten noch mehr Gewicht zu verleihen. »Aber die Leute reden viel. Wäre heute nicht die richtige Nacht für - Bittsteller?«
    Samlor blickte ihn jetzt an und entblößte die Zähne zu einem freudlosen Lächeln. »Ja, wahrhaftig. Ist bekannt, wo Tunneleingänge zum Tempel sind? Oder sind das nur Gerüchte? Wie ist es mit dieser Schenke hier?«
    »Eine Achtelmeile westlich befindet sich das Gasthaus zum Possenreißer, nahe dem Rindermarkt. Darunter soll ein wahres Labyrinth von Gängen sein, die nicht wirklich miteinander verbunden sind. Man kann dort tagelang herumirren, ohne einer Menschenseele zu begegnen, sagt man.«
    Samlor zuckte die Schulter. Er stand auf und pfiff dem Wirt, dann warf er ihm den leeren Becher zu. »Bloße Neugier«, sagte er zu dem jungen Mann. »Ich bin zum erstenmal in Freistatt. Lebt wohl.« Er trat auf die Straße über einen schmalen Graben in dem etwas verweste. Als er nach einer Weile zurückschaute, saß der Einheimische noch immer mit leeren Händen auf der Bank. Gegen das Licht hatte sein Profil die Vollendetheit einer alten Kamee.
    Samlor trug Stiefel und war mit dunklen Nächten und unsicherem Boden unter den Füßen vertraut, deshalb nahm er sich keinen Fackelträger. Als er an einem Trupp Wachen vorüberkam, blickte der kaiserliche Wachoffizier auf den blanken Dolch, den der Cirdonier jetzt in der Hand hielt. Trotzdem schien Samlor nicht mehr zu sein, als er war: ein stämmiger Mann, der Räuber lieber warnte, als tötete, jedoch bereit war zu kämpfen. Ich muß mir ein neues Stiefelmesser kaufen, dachte er. Aber im Augenblick mußte genügen, was er hatte ...
    Das Gasthaus zum Possenreißer war ein Geschoß niedriger als die dreistöckigen Wohnhäuser ringsum. Das Erdgeschoß war hell erleuchtet. Hinter einem Zaun auf der anderen Straßenseite kratzten Sklaven im Lampenlicht Kuhfladen vom Kopfsteinpflaster des Rindermarkts. Sie würden in der Sonne getrocknet und später als Brennstoff verwendet werden. In der Wirtsstube saßen etwa zwanzig Männer, die meisten Viehtreiber, bekleidet mit Leder und grobgewebter Wolle. Eine Schankmaid von etwa fünfzig Jahren bediente gerade Gäste in einer abgetrennten Ecke. Als Samlor eintrat, kam der Wirt mit einem Faß auf der Schulter durch den Vorhang hinter dem Schanktisch.
    Der Cirdonier hatte seinen Dolch eingesteckt. Er nickte dem muskulösen Wirt zu und ging hinter die Theke.
    »He!« rief der Wirt.
    »Ist schon gut«, brummte Samlor und verschwand durch den Vorhang.
    Eine Steintreppe, die auf halber Höhe von einer Öllampe beleuchtet wurde, führte in den Keller. Samlor folgte ihr und nahm die Lampe mit. Unter der Wirtsstube war festgetretener Erdboden. Eine große Falltür, die gegenwärtig verriegelt war, diente zur Aufnahme von Lieferungen von der Straße. An den Wänden standen Flaschenregale, Körbe und riesige Fässer dicht nebeneinander. Ein Faß war so alt, daß sein Holz wie verkohlt aussah. Samlor klopfte mit dem Dolchgriff darauf und verglich den Laut mit dem dumpferen des
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