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Zum Tee in Kaschmir

Titel: Zum Tee in Kaschmir
Autoren: Nazneen Sheikh
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diesem Moment zu überwältigen drohten.
    Obwohl Bashirabad für uns wohl für immer verloren ist, bleibt die Geschichte meiner Großmutter doch in jeder Tasse kaschmirischen Tees, die ich trinke, lebendig. Ihr Rezept aufzuschreiben ist ein Weg, diese Geschichte zu bewahren. Als ich an jenem Morgen an Dil-Arams Tisch saß und entdeckte, dass eine Hand voll grüner Teeblätter in die seltene Köstlichkeit namens kaschmirischer rosa Tee verwandelt werden kann, hoffte ich inständig, dass das Mittagessen, das ein paar Stunden später folgen sollte, eine ebenso große Überraschung für mich würde. Wenn Tee, den ich nur als hellbraune Flüssigkeit kannte, eine rosarote Farbe annehmen konnte, dann, so war ich fest überzeugt, besaß meine Großmutter zweifellos auch die Macht, Fleisch und Gemüse eine neue Farbe zu geben.

Rosa Tee ( Kashmiri Chai )
    Kaschmirischer Tee ist ein loser grüner Tee, den man in südasiatischen Lebensmittelläden bekommt. Er wird auch als gulabi chai bezeichnet - das Wort gulabi ist Urdu und bedeutete rosa. Für dieses Rezept eignet sich auch chinesischer Oolong-Tee, ein halbfermentierter grüner Tee. Blasen Sie nicht zu heftig in den Tee, wenn sie eine Tasse davon genießen, es ist nämlich durchaus möglich, dass der Geist meiner Großmutter Dil-Aram Sie dafür tadelt.
    2 Teelöffel kaschmirische Teeblätter
    Â½ Teelöffel Backpulver
    3 Tassen Wasser
    2 Tassen Milch
    Â¼ Teelöffel Salz
    Â 
    Die Teeblätter mit dem Backpulver und 2 Tassen Wasser in einem kleinen Kochtopf aus Metall aufkochen. Die Hitze reduzieren und eine Stunde lang köcheln lassen. Die reduzierte Flüssigkeit abseihen und die Teeblätter wegwerfen. Die letzte Tasse Wasser in die reduzierte Flüssigkeit geben und aufkochen, bis sich an der Oberfläche Schaum bildet. Die Flüssigkeit mit einer Gabel schlagen und die Hitze reduzieren. Die Milch einrühren, salzen und noch 3 bis 5 Minuten weiterköcheln lassen.
    Â 
    Ergibt 3 bis 4 Tassen.

2
    Ich höre in der Küche meiner Großmutter die Geschichte der Lotosblüte
    O LIEBE! KÖNNTEN WIR UNS BEIDE
MIT DEM SCHICKSAL DOCH VERDCHWÖRN,
DANN WÜRDEN WIR DEN LAUF DER DINGE
IN BAHNEN LENKEN, DIE DAS HERZ SICH WÜNSCHT!
    Omar Chaijam, Rubaijat

    Eines Tages, ich war inzwischen zwölf Jahre alt, kam ich aus der Schule und stellte fest, dass meine Eltern meinem Bruder ein neues Fahrrad gekauft hatten. Als mein Bruder meinen neidischen Blick bemerkte, schlug er vor, dass er mit mir zusammen eine kleine Ausfahrt machen würde. Es war eine gefährliche Fahrt auf einer verkehrsreichen Straße in Karatschi, von der wir uns eigentlich unbedingt fernhalten sollten. Auf diese Art und Weise versuchte mein waghalsiger Bruder mich dafür zu entschädigen, dass ich mich benachteiligt fühlte. Unterwegs hielt er dann an einem Verkaufsstand am Straßenrand an, um mir ein giftig aussehendes blaues Eis am Stiel zu kaufen, was uns ebenfalls streng verboten war. Auf der halsbrecherischen Heimfahrt, verlor ich dann, auf dem Gepäckträger hinter ihm sitzend, einen meiner Schuhe. Die Schuhe waren ganz neu und für festliche Anlässe gedacht, und ich freute mich keineswegs auf die Strafpredigt, die mir meine Mutter halten würde.
    Bei unserer Rückkehr erwartete uns jedoch eine mehr als verblüffende Neuigkeit, und der verlorene Schuh war schnell vergessen. Meine Eltern würden sich schon bald auf eine dreiwöchige Auslandsreise begeben, und wir Kinder sollten während dieser Zeit zu unserer Großmutter nach Rawalpindi fahren. Im Gegensatz zu unserem letzten Besuch bei ihr, der nur zwei Tage gedauert hatte, würden wir diesmal also recht lange bei ihr sein. Ich rannte in mein Zimmer und holte die Schachtel hervor, in der ich zwei Briefe aufbewahrte, die meine Großmutter an meine Mutter geschrieben hatte und in denen sie auch mich erwähnte. Die Briefe lagen als eine Art Talisman zusammen mit meiner Sammlung von Muscheln und Haarbändern in der Schachtel.
    Wir sollten mit dem Zug fahren. Mein Vater steigerte am Abend vor unserer Abreise unsere Begeisterung noch erheblich, als er uns einen kleinen Vortrag in Geschichte hielt. Nach etwa zwei Dritteln der Strecke, kurz bevor wir die Stadt Lahore in der Provinz Pandschab erreichten, würde die sagenhafte Grand Trunk Road direkt neben den Gleisen verlaufen, so erfuhren wir. Der afghanische König Sher
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