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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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brachte Karin die acht gefüllten Gläser. Boltenstern nahm zwischen den Plastikblättchen vier schmale Streifen rosa Löschpapier heraus und hängte sie kurz in die Sektgläser.
    »Die Damen zuerst«, scherzte er und beobachtete, wie die vier Mädchen ihre Gläser nahmen. Die nassen Löschpapiere warf er in den Kamin hinter sich und nahm dann aus seiner Brieftasche die weißen Blättchen.
    Während er den ersten Löschblattstreifen in das Glas Schreiberts hing, sah er sich um. Die drei Freunde umringten die Mädchen und schnupperten über den Gläsern. Boltenstern legte in das Glas Erlangers den dünnen weißen Papierstreifen.
    »Es ist geruch- und geschmacklos, Freunde. Und farblos.«
    »Ein Teufelszeug.« Erlanger griff nach dem Glas, das ihm Boltenstern hinhielt. »Und was geschieht nun, wenn ich den präparierten Sekt trinke?«
    »Zunächst gar nichts. In zwanzig Minuten oder einer halben Stunde beginnt dann dein gespaltenes Ich mit dem Erlebnis.«
    Boltenstern hob sein Glas. Im Kamin verbrannten acht kleine nasse Löschpapierstreifen.
    »Prost, Freunde!« rief er.
    »Hinauf zu den Sternen!« schrie Huilsmann enthusiastisch. »Alf, wenn du mir mehr versprochen hast, als nachher wahr wird, schmeißt du eine Runde!«
    »Drei, wenn es sein muß.« Boltenstern trank mit langen Schlucken sein Glas leer, und die anderen, die ihm zusahen, folgten seinem Beispiel. Sie sahen die Entschlossenheit und Sicherheit, mit der er trank. Das beruhigte sie. Boltenstern ist sonst ein ganz Vorsichtiger, dachten sie. Er ist der einzige, der nicht viel gewagt hat im Leben, und deshalb ist er auch der Ärmste in unserem Kreis. Immer geht er auf Sicherheit. Es wird schon nicht so schlimm sein mit diesem LSD …
    »So, Freunde«, sagte Boltenstern, als alle die leeren Gläser auf die Tischchen abstellten. »Und nun seien wir fröhlich wie immer. Wir haben die Nacht ja noch vor uns.«
    Er sah auf die Uhr auf dem Kaminsims.
    20.19 Uhr.
    Als erste zog die blonde Lola ihr Kleid aus und begann, dem in die Hände klatschenden Schreibert etwas vorzutanzen.
    Auch die anderen zogen sich aus. Ihre herrlichen, schlanken Mädchenkörper schimmerten im ungewissen, indirekten Licht aus den exotischen Glaskästen.
    Huilsmann schwankte zu einem Schalter. Das Licht erlosch bis auf wenige leuchtende Blüten im Atrium. Dafür glitzerte sein berühmter Sternhimmel auf, mit lautem Ah und Oh begrüßt.
    Boltenstern beobachtete seine Partnerin Karin. Etwas Hektisches lag in ihren großen braunen Augen. Eine Fröhlichkeit, die irgendwie verkrampft wirkte.
    Beginnt es schon? dachte er. Wer wird der erste sein, der in den Rausch verfällt?
    Und wie wird das Erwachen sein …?
    20.49 Uhr.
    Huilsmann hockte in einer Ecke des Zimmers, zwischen zwei Sessellehnen. Sein Blick war starr, aus den Mundwinkeln lief ihm Speichel und tropfte auf das vor der Brust aufgerissene Hemd. Er hatte vom Tisch ein Brokatdeckchen gezogen und stopfte es durch die zusammengepreßten Knie zwischen seine Schenkel. Sein ganzer Körper zitterte, und er stieß Laute aus, die einer völlig fremden Stimme gehörten.
    Ein Saal … ein riesiger Saal … ein Saal, der ins Unendliche führt … Und er rennt durch diesen Saal und überall sind Türen, Hunderte, Tausende Türen, Türen, die bis zum Himmel reichen … Er sucht ein Klosett … die Blase zerspringt ihm fast … er ertrinkt im eigenen Urin … und so rennt er von Tür zu Tür, aber immer, wenn er vor ihr steht, ist sie zugemauert … Weiter, weiter … hundert Türen, tausend Türen, überall Türen, und alle zugemauert, alle mit Steinen verschlossen … und er platzt … er muß platzen … sein Körper ist voll von Urin wie ein Weinfaß bis zum Deckel … Hilfe! schreit er. Und immer neue Türen und alle zugemauert … Und dann platzt er … ist eine Wolke, und er läßt es auf die Erde regnen, wo die Blumen verdorren, die Bäume welken, in den Flüssen die Fische sterben und die Menschen zusammenschrumpfen, als beregne man sie mit Säure –
    Toni Huilsmann kroch noch tiefer in seine Ecke.
    Dann fiel er um, trat mit den Beinen um sich und röchelte.
    Die rote Mary hatte sich zusammengekugelt und rollte durch das große Zimmer wie ein Ball. Dabei wimmerte sie laut, lachte ab und zu grell und schrie: »Schälen! Schälen!«
    Eine Apfelsine war sie. Auf einem Teller lag sie … und dann rollte sie herunter, über den Boden, aus dem Haus hinaus, über die Straße, schwamm in der Gosse bis zu einem Gully und blieb dort liegen. Ein Riese
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