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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stimme und drehte den Kopf, schneller, immer schneller, als säße er auf einem Kugellager. ›Was ist das?‹ frage ich den vor mir hockenden Mann. Der sieht mich an, grinst und hebt den Zeigefinger. ›LSD, Monsieur‹, antwortet er. ›Nie gehört‹, sagte ich. ›Rauschgift?‹ Und der Mann nickt, in seine Augen kommt ein fiebriger Glanz, er holt aus der Tasche seines zerschlissenen Anzuges ein flaches Stanniolpäckchen und zeigt es mir. ›Hier ist der Himmel drin, Monsieur‹, sagte er. ›Eine violette Welt! Sie wissen nicht, wie herrlich die Welt ist, wenn Sie nicht LSD genommen haben! Gestern war ich ein Inka-Prinz! Vierzig Mädchen suchte ich mir aus den Schönsten meines Landes aus und zog mit ihnen in den Tempel –‹«
    »Der Angeber!« sagte Schreibert laut in die Stille hinein. »Vierzig!«
    Boltenstern hob die Hand wie ein ägyptischer Märchenerzähler. Seine Stimme war ruhig und völlig leidenschaftslos und deshalb so wirkungsvoll.
    »›Und das Mädchen?‹ fragte ich den jungen Mann. ›Was ist mit ihr?‹ – ›Sie erlebt die Geburt der Sterne aus dem Gesang purpurner und goldener Wolken, so sagt sie.‹ Der Mann hielt mir das Stanniolpäckchen hin. ›Probieren Sie, Monsieur. Pro Blatt zehn Francs! Wo können sie für zehn Francs das Wunder erleben, außerhalb Ihres Körpers zu sein?‹ Ich habe ihm das Stanniolpäckchen abgekauft!«
    Völlige Stille war in dem riesigen Zimmer. Die Mädchen starrten auf die Brieftasche in Boltensterns Hand. Huilsmann hatte zu schwitzen begonnen, Schreibert massierte sich wieder die Knie, Erlanger trank langsam den Rest seines Sektes aus.
    »Ist die Sache gefährlich?« fragte Erlanger und sprach damit die Gedanken aller aus.
    »Nur auf die Dauer, wenn man süchtig wird.« Boltenstern drehte die Brieftasche zwischen seinen Händen. »Ich habe mir noch in Paris alles kommen lassen, was man über das LSD weiß. In den USA gibt es bereits 1.000.000 Männer und Frauen, die sich mit LSD in eine andere Welt flüchten. Es erzeugt eine künstliche Schizophrenie, einen Spaltungsirrsinn, der uns Dinge erleben läßt, die tief in unserem Unterbewußtsein schlafen. Nach acht Stunden ist alles vorbei, man hat einen Kater … aber das ist auch alles. In amerikanischen Kreisen wie unser geselliges Zusammensein« – Boltenstern lächelte mokant – »gilt ein LSD-Rausch schon zu den üblichen Gesellschaftsspielen. Immerhin ist es etwas anderes als diese dummen Pfänderspiele … und ihr wolltet ja etwas Neues haben.«
    Richard Erlanger streckte die Hand aus. »Zeig mal das Zeug, Alf.«
    »Es ist gut verpackt, sonst verdunstet die Feuchtigkeit. Sie ist minimal. Für die Mädchen 50 Mikrogramm, für die Männer 80 Mikrogramm. Das sind ein achtzigmillionstel Gramm!«
    »Unvorstellbar!« sagte Schreibert und schnaufte.
    »Ja.« Boltenstern erhob sich von dem kleinen Couchtisch. »Ich habe euch das nur erzählt, weil ich es interessant finde. Und jetzt Musik, Sekt und gedämpfteres Licht, wenn ich bitten darf!«
    Huilsmann reagierte nicht auf diese Aufforderung. Er blieb neben der roten Mary sitzen, und in seinen Augen tanzte ein goldener Punkt. Es mochte der Widerschein einer Lampe sein, aber es sah aus, als gehörten diese Augen nicht mehr zu Toni Huilsmann.
    »Probieren wir es, Jungs?« sagte er heiser. Und als er keine Antwort erhielt, sprang er auf und trat in die Mitte des Kreises. »Stellt euch vor … wir sind andere Wesen. Wir erleben eine andere Welt!«
    »Bei manchen erzeugt das LSD auch einen Sexualrausch«, sagte Boltenstern trocken.
    »Angenommen!« Schreibert klatschte in die Hände. »Wenn Alfs LSD ein Reinfall ist … das Flaschenkarussell können wir noch immer machen. Ihr Süßen, was haltet ihr davon?«
    Die Mädchen nickten. Sie hatten Angst, man sah es ihnen an. Sie waren nach Düsseldorf bestellt worden, um vier Herren eine Nacht lang zu erfreuen. Dazu gab es viele Möglichkeiten. Von einem Rauschgiftversuch war nie die Rede gewesen. Nur die rote Mary winkte ab, als die Mädchen aufstanden und ihre Kleidung etwas ordneten.
    »Ist alles halb so schlimm«, sagte sie. Eine ordinäre Stimme hatte sie, etwas kratzig und laut. »Ich habe auch schon mal Opium geraucht. Das schlimmste ist der Kater am nächsten Morgen, aber auch der geht vorbei.«
    »Also? Wollen wir?« Boltenstern klappte die Brieftasche auf. »Karin, schütt die Sektgläser voll. Richard, sieh mich nicht so an … wenn's gefährlich wäre, würde ich bestimmt nicht mitmachen.«
    Auf einem Tablett
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