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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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noch immer das ängstliche, um sein Leben kletternde Nerzmännchen …
    Höher! Höher! Gott hilf! Er fängt mich … er hat ein Netz bei sich … In einem Käfig werde ich leben …
    Und das Nerzmännchen breitet die Beinchen aus, wirft sich hoch in die eisige Taigaluft und läßt sich an dem rollenden Jägerkopf hinabfallen.
    Hinunter in den Schnee, vorbei an den Bäumen, deren Kronen im Himmel wiegen.
    Es fällt und fällt … und dann schlägt es auf … mit dem Gesicht zuerst, und der Schnee ist verharscht und vereist, und das kleine Nerzmännchen schreit auf, denn sein Gesicht brennt und Blut läuft ihm über die Augen …
    Auf der Straße nach Benrath wichen zwei Radfahrer in diesem Augenblick einem schleudernden Wagen aus. Mit einem Satz sprangen sie in den Straßengraben und warfen die Räder im Fallen von sich. Drei Bäume hinter ihnen ertönte ein schauriges Krachen, splitterndes Blech heulte auf wie sterbende Pferde, ein Kreischen zerriß die Nachtstille und dann ein tiefes Ächzen, als habe ein Auto auch eine Seele, die es aushauchen könne.
    »So ein besoffenes Schwein!« stotterte der eine Radfahrer. »Frontal drauf!« Er kniete auf der nassen Erde und starrte auf die Trümmer des schweren Wagens. Aus der aufgesprungenen Tür hing ein Körper, die Arme pendelten noch, der Kopf war unkenntlich.
    »Der ist hinüber«, sagte der andere Radfahrer und klopfte sich den Erddreck von den Hosenbeinen. »Ich bleib hier … Los, fahr zum nächsten Haus und ruf die Polizei. Immer diese Besoffenen!«
    Von den Bäumen tropfte die Nässe, und der zertrümmerte Blechberg glänzte wie mit Öl eingerieben.
    Toni Huilsmann lag in seinem Bett und schlief mit röchelndem Atem. Mary, Beatrice und Lola saßen bereits im Wagen, ein Häuflein müde und ausdruckslos vor sich hinstarrender Wesen, die ihre zerrissenen Kleider wieder angezogen hatten. Aber das sah man nicht … die Regenmäntel verdeckten es.
    In dem Riesenzimmer mit der flimmernden Sternendecke stand Alf Boltenstern am Kamin und zählte aus seiner Brieftasche sechs Hundertmarkscheine ab. Karin stand neben ihm, hatte sich an seine Schulter geklammert und starrte auf einen Gegenstand auf dem Teppich.
    »Sechshundert für das Experiment«, sagte Boltenstern und schob Karin die Geldscheine in den Büstenhalter. »Zufrieden?«
    »Das ist ja schrecklich …«, stammelte Karin und drückte ihr Gesicht gegen die Brust Boltensterns. »Das ist ja grauenhaft.«
    »Man muß die Ruhe bewahren, Mädchen. Du fährst jetzt mit deinen drei Kleinen ab und vergißt, daß du jemals in Düsseldorf gewesen bist.« Er hob ihr Gesicht zu sich empor und küßte Karin auf die entsetzten Augen. »Vergessen, Liebling. Es wird nicht dein Schaden sein. Ich erinnere mich gern an Menschen, die mir geholfen haben …«
    »Aber das … Alf … das da …« Sie wagte nicht, sich umzublicken. »Wie ist das denn möglich …?«
    »Das werden die anderen klären. Das sind Fragen, die nicht für deinen hübschen Kopf gemacht sind. Geh jetzt … fahr ab …«
    Boltenstern zog den Telefonapparat zu sich und wählte eine Nummer. Er mußte lange warten, bis sich auf der anderen Seite jemand meldete.
    Major a.D. Konrad Ritter hatte fest geschlafen. Nach zwei Flaschen Bier und vier Kognaks und einem bis zum Ende genossenen Fernsehprogramm darf man müde sein. Außerdem hatte er gerade geträumt, und der schrille Ton des Telefonweckers riß ihn weg, als er gerade anlegen wollte, um einen makellosen Zehnender zu schießen. Beim Durchziehen des Fingers klingelte es, und der Hirsch entfloh in den Tannen.
    »Ja?« brüllte Ritter deshalb auch ungnädig. »Wer ist da?« Falsch verbunden, dachte er. Das fehlte mir jetzt noch.
    Boltenstern lehnte am Kamin und hatte den Arm um die zitternde Karin gelegt. Sie war nicht zu bewegen, einen Schritt zu gehen.
    »Hier Alf …«, sagte Boltenstern mit völlig nüchterner Stimme. »Komm sofort her, Konrad.«
    »Wohl verrückt, was?« Major a.D. Ritter setzte sich ins Bett. »Total besoffen, was! Wo bist du?«
    »Bei Toni. Stadtwaldstraße 10. Komm her!«
    »Was ist denn los?« Ritter schob die Beine aus dem Bett. »Weißt du überhaupt, wie spät es ist?«
    »Ich habe die Uhr neben mir.« Boltenstern schob Karin von sich, die ihn wieder mit entsetzensweiten Augen umklammerte. »Frag jetzt nicht, Konrad … komm sofort zu uns. Wir brauchen dich.«
    Er legte auf, ohne eine Antwort Ritters abzuwarten. Dann faßte er Karin unter, schob sie fast durch das völlig durchgewühlte
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