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Zum Morden verflucht

Zum Morden verflucht

Titel: Zum Morden verflucht
Autoren: Andrew Hathaway
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Geschehen hindeuteten, das sich darauf noch vor wenigen Minuten abgespielt hatte.
    »Annabel Caldwell!« rief Dr. Emerson das erste Mädchen des Satansbundes auf. »Du wirst mit deinem Auto einen Fußgänger überfahren!«
    Aus den Augenwinkeln heraus warf Jane Haskill einen raschen Blick auf die neben ihr stehende Annabel. Das Mädchen verzog keine Miene, zeigte keinerlei Reaktion auf den Befehl, einen Unschuldigen zumindest schwer zu verletzen, wenn nicht gar zu töten. Willenlos wie die anderen, akzeptierte sie die Anweisung.
    »Jane Haskill!« schnitt Dr. Emersons Stimme in Janes Gedanken. »Du tötest auf dem Nachhauseweg einen Spaziergänger!«
    Ein kurzer, knapper Satz, eine präzise Anweisung – ein Mordbefehl! Jane erkannte die Auswirkungen der Aufgabe, die der Satansbeschwörer ihr gestellt hatte, in ihrer vollen Tragweite. Aber ihr Gewissen meldete sich nicht, hielt ihr nicht die fürchterlichen Folgen dieser Tat vor Augen. Eine unheimliche Macht hatte Besitz von ihr ergriffen und alles Gute in ihr unterdrückt, ausgelöscht.
    Nacheinander wurden noch die anderen Mädchen aufgerufen, und die ihnen auferlegten Prüfungen hörten sich wie eine Aufzählung einer Kriminalchronik an – Mord, Verstümmelungen, Raub, Brandlegung.
    »Geht jetzt«, beendete Dr. Emerson seine Anweisungen. »Die Augen des Meisters verfolgen euch auf Schritt und Tritt. Ihr, die Töchter des Satans, könnt ihm nicht mehr entkommen. «
    Wie Puppen wandten sie sich dem Ausgang zu. Das erste Mädchen in der Reihe betrat gerade den unterirdischen Gang, als die scharfe Stimme Dr. Emersons durch das Gewölbe peitschte.
    »Denkt daran!« schrie er höhnisch. »Wer versagt, stirbt eines fürchterlichen Todes!«
    Die kühle Nachtluft schlug Jane Haskill wie eine Faust ins Gesicht. Erst jetzt merkte sie, wie dumpf und bedrückend es in diesem gruftartigen Raum gewesen war.
    Am fernen Horizont wich die Dunkelheit der Nacht bereits dem ersten grauen Schimmer des aufkommenden Morgens. Jane liebte diese Tageszeit besonders. In ihrer Heimatstadt war sie oft sehr zeitig aufgestanden und auf die umliegenden Hügel hinausgewandert, um den Sonnenaufgang zu beobachten.
    Jetzt war sie auch wieder um diese Zeit unterwegs, diesmal aber mit einem ganz anderen Ziel. Für sie stand es außer Frage, daß sie die ihr gestellte Aufgabe zur vollen Zufriedenheit des Meisters, also des Satans, erfüllen würde. Flüchtig dachte sie an Gwendolin, sah sie das ernste, mahnende Gesicht ihrer Schwester vor sich, doch dann gewann sofort wieder die Kälte die Überhand, die gleich nach der Vorlesung Dr. Emersons von ihr Besitz ergriffen hatte. Gwendolin war ihr gleichgültig, alle anderen Menschen waren ihr gleichgültig. Nur mehr ihr großes Ziel, eine würdige Sklavin des Satans zu sein, zählte in ihrem Leben.
    Töte den ersten Menschen, dem du begegnest, schrie es in ihrem Gehirn. Töte! Töte!
    Jane Haskill begann zu gehen, erst langsam und mechanisch, dann immer schneller und hastiger, als würde sie verfolgt. Tatsächlich hatte sie das Gefühl, von Tausenden von Augen beobachtet zu werden, die sie aus Teufelsfratzen heraus anstarrten. Hinter jedem Baum, hinter jedem Strauch des kleinen Waldes am Stadtrand von Oxford lauerte eine furchterregende Erscheinung, eine Gestalt aus dem Reich des Bösen.
    Zwischen den Bäumen war es noch immer dunkel, obwohl der Himmel bereits die Farbe von Blei annahm. Bizarre Sturmwolken trieben tief über die Stadt dahin, die Bäume bogen sich unter dem Wind.
    Jane stolperte über eine Wurzel, fing den Sturz ab, taumelte ein paar Schritte weiter, blieb stehen. Ich muß kühl bleiben, sagte sie sich, ich darf nichts überhasten. Wenn sie die Prüfung nicht bestand, die ihr von Dr. Emerson im Auftrag des Meisters auferlegt worden war, mußte sie eines entsetzlichen Todes sterben. Sie hatte seltsamerweise keine Angst vor dem Sterben, wohl aber vor dem Meister. Sie wußte nicht, was mit ihr auf dem Altar geschehen war. Diese Vorgänge waren völlig aus ihrem Gedächtnis verschwunden. Sie hatte den Satan auch nicht in seiner wahren Gestalt voll gesehen. Aber sie ahnte ungefähr die ganze Scheußlichkeit, die abstoßende Widerwärtigkeit, die sie gleichzeitig faszinierte und anzog.
    »Ich muß die Prüfung bestehen«, murmelte sie, dann ging sie langsamer weiter. Sie erreichte die Bushaltestelle, doch um diese Zeit war der Betrieb noch nicht aufgenommen. Wie eine frühe Spaziergängerin schlenderte sie, für einen zufälligen Beobachter
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