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Zuendels Abgang

Zuendels Abgang

Titel: Zuendels Abgang
Autoren: Markus Werner
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Klischeemensch. - Dann fixierte er den Boiler und sagte in Magdas Tonfall: Du, Koni, ich glaube, die Befreiung der Frau kommt auch euch zugute! - Sowieso! rief Zündel und ließ schmetternd sein Darmgas ab.

    Bevor er schlafen ging, trug er ein paar Worte in Magdas Zimmer und deponierte sie auf ihrem Kopfkissen: Liebe Frau, schon lange macht mir Deine beschleunigte Entwicklung Beine, aber Beine sind noch keine Flügel! Schlaf wohl. Dein K.

    Spät und überraschend vergnügt begann das gemeinsame Frühstück. Konrad plauderte über seine Schicksalsschläge, und da Magda Anteil nahm, gelang ihm dann und wann ein abgeklärtes Schmunzeln. - Du mein armes Pechvögelchen, sagte sie. Er stülpte die Oberlippe hoch und lallte: Ich hab dich doch so gern, aber ich werde dir noch die Zähne zeigen. - Da sagte Magda: Ich muß mit dir reden, Konrad.

    Magda: Wir haben beschlossen - und du warst so einverstanden wie ich -, diese Sommerferien getrennt zu verbringen. Du selbst hast erklärt, es sei hochgradig neurotisch, wie eng wir seit Jahren aufeinanderhocken. Gut. Du reist ab. Und stehst nach drei Tagen wieder da! Und versuchst mich mit einem Gutenachtzettel lächerlich zu machen. Wahnsinnig aggressiv macht mich das! Ich bin einfach nicht mehr bereit, meine Selbstverwirklichung mit Schuldgefühlen dir gegenüber zu bezahlen. Ich habe deine Bremserei satt. Und ganz offen gestanden: Sobald du weg warst, blühte ich irgendwie auf, es war, als käme ich an die frische Luft, als könnte ich wieder atmen.
    Konrad: Deine Sätze riechen nach Frauengruppe. Deine grandiose Offenheit ist im Moment genauso Mode wie deine läppische Rübenhose. Dabei ist keine dieser unzufriedenen Ziegen imstande, den Begriff der Selbstverwirklichung zu definieren. Nichts als nachgeplapperter Brunz! - Wir können uns ja trennen, ich kann ja gehen.
    Magda: ›Wir können uns ja trennen‹, das ist deine ganze Weisheit, das ist deine Art, Konflikten auszuweichen und Diskussionen abzublocken.
    Konrad: Ich hemme deine Entfaltung, ich verpeste deine Luft, ich schnüre dir die Kehle zu, ich mache dir Schuldgefühle - was gibt's da noch zu diskutieren? Der Fall ist ja klar. Der Fall ist klar, obwohl ich froh wäre um ein einziges konkretes Beispiel, ich weiß nämlich gar nicht, wovon du sprichst.
    Magda: Du wirfst mir doch ständig irgend etwas vor; seit wir uns kennen, entdeckst du Mängel an mir! Ich spüre doch, wie mein Selbstvertrauen abgebröckelt ist in diesen Jahren, alles an mir regt dich auf. Es kann dir doch nicht recht sein, wenn ich Angst vor dir habe. Konrad: Bring doch bitte endlich ein Beispiel, verflucht nochmal! Was werf ich dir vor? Was zum Teufel regt mich denn auf an dir? Magda: Diese Hose zum Beispiel.
    Konrad: Gut, ja, also, meinetwegen, aber das ist ja weißgott nicht zentral.
    Magda: Neulich, nach dem Aufstehen, kamst du zu mir ins Badezimmer und fragtest mit mühsam unterdrückter Gereiztheit: Sag mal, warum gurgelst du eigentlich immer so komisch?
    Konrad: Stimmt ja auch, du gurgelst wirklich unmöglich. Zweimal täglich sträuben sich mir die Haare. Magda: Eben.
    Konrad: Du, jetzt hab ich nur Spaß gemacht, merkst du das nicht?
    Magda: Nein nein nein. Ich möchte dich hassen! Usw.

    Bald waren beide so ratlos, so ausgekühlt und betrübt, daß sie zusammen ins Bett gingen. Und es war, als nähmen die zwei Körper keine Notiz von der Zwietracht der Obrigkeit. Noch mochte sich ihr Fleisch, noch hatte es die Kraft, die rebellischen Gehirne bedingungslos ins Unrecht zu versetzen.

    Um halb vier saß Zündel im Wartezimmer des Zahnarztes, verkrallt in sein Wochenhoroskop, dem er in einer der aufliegenden Illustrierten begegnet war. Zu jeder der drei Sparten Leben, Liebe und Geld fand er einen bedeutsamen Fingerzeig. Manchmal muß man seinem Herzen einfach einen kräftigen Stoß geben! hieß es unter ›Liebe‹. Auch die Rubrik ›Leben‹ rief auf zur Tat; Einen bestimmten Fehler sofort korrigieren! - Von diesem kleinen astrologischen Appell fühlte er sich so heftig angesprochen, daß er sich vornahm, ihn zu beherzigen.

    Kurz vor fünf durfte Zündel ein letztes Mal spülen. Der frisch einzementierte Zahn war allerdings nur eine Leihgabe, die Herstellung des endgültigen, in Form und Farbe restlos stimmigen, mußte erst in Auftrag gegeben werden, und die Lieferfrist betrug einige Wochen. Aber auch mit dem ästhetisch nicht ganz befriedigenden Provisorium ließ sich, wie der Zahnarzt versicherte, bis auf weiteres ohne Risiko essen und
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