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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition)
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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kapitulieren und in den Schoß der Heiligen Mutter Kirche zurückkehren. Bis dahin werden wir immer mehr Opfer der Krise zu beklagen haben. Dessen bin ich mir sicher.«
    Padre Piersanti Motadonna beugt sich über einen Stapel Europaletten, auf dem der Leichnam zu sehen ist.
    Die Striemen um den Hals des Krisenopfers sind blau angelaufen und deutlich sichtbar. Motadonna packt den Toten bei den Armen, während Monica den Dahingeschiedenen an den Füßen hochhievt und sie beide die Leiche zu einer Nische des Kellerraumes tragen. Dort angekommen betätigt Monica einen Knopf an der Wand, der hellgrün aufleuchtet. Ein Lastenaufzug steigt mit einem mechanischen Knurren zu den beiden in den Keller hinab und öffnet sich. Der Padre schiebt die Leiche in den Aufzug, und Monica drückt einen weiteren Knopf an der Wand, der den Lift dazu veranlasst, sich zu schließen und wie von Zauberhand wieder zu verschwinden.
    »Aber jedenfalls, Padre, ich finde es unglaublich toll, dass Sie gekommen sind, um mir in dieser schwierigen Stunde beizustehen«, sagt di Garozzo und schreitet auf den Kellerausgang zu. Der Padre begleitet die Mailänderin mit einem kleinen Abstand.
    »Wer schnell hilft, hilft doppelt, wie man sagt. Das ist für uns selbstverständlich. Schließlich sind wir Benediktiner ja die Stellvertreter Gottes auf Erden.«
    Di Garozzo bleibt stehen und wirft Padre Motadonna einen entgeisterten und zugleich fragenden Blick zu.
    »Kleiner Scherz, Monica. Kleiner Scherz. Alle fallen darauf rein. Auch du bist darauf reingefallen, nicht wahr?«
    »In der Tat, Padre. Da haben Sie mich kalt erwischt.«
    Monica lächelt und setzt den Weg fort.
    00:36
    Der Moldawier räumt das Geschirr weg. Ab und zu nimmt er einen Schluck aus einem gut gefüllten Glas Chianti.
    »Warum seid ihr in dieser verlassenen Gegend unterwegs gewesen, Angelo? Termoli ist ja mindestens 150   Kilometer weg von hier.«
    »Nach unserem Rausschmiss aus dem Zuccherificio, der Zuckerfabrik dort, wollten wir einfach weg. Das heißt, Cristina wollte weg. Weg von der Krise. Weg von der Zuckerfabrik und all den Problemen. Und ich konnte sie überreden, sie begleiten zu dürfen. Ich habe sie so lange damit genervt, bis sie zugesagt hat«, antwortet Angelo, steht auf und hilft Tolyan Andreewitsch.
    »Warum wolltest du unbedingt mit ihr mit?«
    »Ich habe mir Sorgen gemacht um sie, weißt du. Ich wollte dabei sein, damit ihr jemand helfen kann, wenn was ist. Verstehst du?«
    »Und da wolltet ihr euch … ich meine, ihr wolltet da ernsthaft Selbstmord begehen?«
    »Ja.«
    »Und warum ausgerechnet die Abruzzen?«
    »Wir hatten einen Kollegen aus Giulianova im Zuccherificio, der schon seit Ewigkeiten bei uns in Termoli, in der Abfüllhalle, arbeitete. Er hieß Calabrese. Ein alter einsamer Mann war das. Er hatte keine Frau, keine Kinder, keine Familie. Später erfuhren wir, dass er zwar schon mal eine Frau und zwei Töchter gehabt hatte, sie aber bei einem Autounfall in den frühen Achtzigern ums Leben gekommen waren. Für ihn war der Zuccherificio seither sein Leben. Und wenn es Zeit war, nach Hause zu gehen, war der alte Mann stets betrübt und schlecht gelaunt; und nicht wie alle anderen glücklich darüber, dass endlich Feierabend war. So war er drauf. Jedenfalls sagte er, dass wenn er jemals gefeuert werden würde, er in die Abruzzen gehen und nicht mehr zurückkommen würde und basta – das sagte er wirklich so: ›Und basta!‹ Calabrese schwärmte ständig von der wilden Schönheit der Gegend hier. So sind wir auf die Abruzzen gekommen.«
    »Und was passierte mit ihm?«
    »Er wurde zusammen mit uns gefeuert.«
    »Scheiße.«
    »Aus Sicherheitsgründen. Die Führung des Zuccherificio von Termoli hatte jedenfalls den Verdacht, Calabrese würde unter Altersdemenz leiden. Deswegen schmissen sie ihn raus, den guten alten Calabrese.«
    Zur gleichen Zeit steht Cristina auf einem kleinen Balkon und starrt trotzig in die Finsternis der Nacht. Sie hält ein Handy in der Hand und wählt mit ihren beringten Fingern eine Nummer; der Name ROCCO mit einem roten pulsierenden Herzchen daneben leuchtet auf. Cristina sieht auf das Display. Es läutet einige Male; doch dann schaltet sich Roccos Mailbox ein. Es scheint, als hätte die junge Italienerin diese Prozedur schon oft hinter sich gebracht.
    »Ma che cazzo!« , ruft Cristina und legt auf. Sie will das Handy auf dem Steinboden des Balkons zerbersten lassen; tut es dann aber doch nicht, wählt Roccos Nummer noch einmal – wieder
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