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Zuckerguss und Liebeslieder Roman

Zuckerguss und Liebeslieder Roman

Titel: Zuckerguss und Liebeslieder Roman
Autoren: Rosie Wilde
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an Starbucks vorbei, damit ich nicht doch in Versuchung komme, mir eine heiße Schokolade zu holen. Dann bin ich bei der U-Bahn. Während ich auf dem Bahnsteig auf einen Vorortzug Richtung Kensington High Street warte, der laut Anzeigetafel in drei Minuten eintreffen wird, kommt mir die deprimierende
Erkenntnis, dass ich den Gedanken an Phoebe Carmichael nicht länger verdrängen kann.

2. KAPITEL
    Eigentlich war ich über Phoebe bereits voll im Bilde. Dad hatte mir vor ungefähr einem Jahr einen aus Vanity Fair ausgeschnittenen Artikel geschickt und einen Haftzettel vorn draufgeklebt: »Das hat Valerie beim Friseur entdeckt, darum haben wir uns in Unkosten gestürzt und eine Ausgabe gekauft.« So was macht er laufend - versucht mit aller Gewalt, aus uns allen eine große glückliche Familie zu machen, obwohl ich ihm schon hundertmal gesagt habe, dass ich Valerie mag und kein Problem damit habe, dass er mit ihr zusammen ist. Nach Mums Tod war Dad fünf Jahre allein - nicht lange genug für meine Schwester Teresa.
    Der Titel des Artikels aus Vanity Fair lautete: »Papas Töchterchen - Zehn Frauen treten aus dem Schatten ihrer berühmten Väter«. Darunter prangte ein doppelseitiges Foto von Annie Leibovitz, aufgenommen bei Nacht im leeren Handelssaal der New Yorker Börse. Zehn super-seriös wirkende junge Frauen, im Halbkreis aufgestellt.
    Dad hatte einen Pfeil eingezeichnet, der auf Phoebe Carmichaels Kopf zielte. Sie trug einen schwarzen, schulterfreien Overall von Michael Kors und hatte die brünette, glänzende Mähne dekorativ über eine Schulter gekämmt. Sie blickte fast schon finster in die Kamera, eine Hand in die Hüfte gestemmt, und hielt mit dem Ellbogen eine Senatorentochter in Schach.
    Die Frau wirkte künstlich, reich und insgesamt ziemlich furchterregend.

    Wenn Phoebe Carmichael die Zentrale von Carmichael Music an der Fifth Avenue betritt, klacken die Absätze, und die Praktikanten zerstreuen sich in alle Winde. Die Beste ihres Jahrgangs an der Brown University begann ihre Karriere mit der Umstrukturierung der Firmenniederlassung in Chicago - ein Prozess, den ein Insider der Branche mit dem Wort »brutal« bezeichnete.
    Hier hatte Dad an den Rand geschrieben: »Sieh dich vor, Zuckerschnecke!!!« Ich bin fünfunddreißig, beinahe Hausbesitzerin und, wie schon erwähnt, so gut wie verheiratet, und trotzdem möchte er mir immer noch »beispringen«.
    Ms. Carmichael lächelt in Erinnerung an jene Zeit. »Ich würde eher von Rationalisierung als von Abbau sprechen. Alles Wesentliche, was man in diesem Geschäft braucht, hat mein Vater mir von klein auf beigebracht: Fünf Stunden Schlaf und kein Gejammer.«
    Insidern zufolge nimmt sie in geschäftlicher Hinsicht ihrem Vater zunehmend die Zügel aus der Hand. Ihr selbstgesetzter Auftrag lautet, Carmichael Music auf den neuesten Stand zu bringen und zugleich Kritik an den altmodischen Geschäftsmethoden des Labels abzuschmettern.
    Privat führt Ms. Carmichael (36) laut eigener Aussage ein zufriedenes Dasein als Single. Zur Wiederverheiratung ihres Vaters äußert sie sich wortkarg. Im vergangenen Jahr hatte sich Terry Carmichael nach einem erbitterten Scheidungskrieg mit Phoebes Mutter erneut verehelicht. Seine zweite Frau Olga war nach
seiner Bypass-Herzoperation bei ihm als Privatpflegerin angestellt gewesen.
    »Mittlerweile verstehen wir uns alle prächtig«, so Phoebes knapper Kommentar.
    Das war nun schon ein Jahr her. Aus Gründen der Firmenloyalität hatte ich den Artikel an meine Pinnwand geheftet, aber so gefaltet, dass ich Phoebe nicht im Blick hatte. Dann versuchte ich sie zu vergessen. Vielleicht würde die Londoner Niederlassung ihr ja gedanklich durchrutschen. Oder sie beschloss am Ende, sie unter Grahams Leitung zu belassen … Aber sie vergaß uns dann doch nicht ganz. Offenbar hat sie in diesem einen Jahr New York rationalisiert.
    Auf der Strecke bis zur Station High Street Kensington wurde der Zug rappelvoll. Ich kämpfte mich mit dem reißenden Strom eiliger Pendler an die Oberfläche, wich den Verteilern von kostenlosen Tageszeitungen und Flyern für Billigflüge aus und machte mich nach einem Blick in den grauen Himmel auf den Weg zum Büro. Die vor mir liegende Woche bereitete mir Bauchschmerzen.
    Woran zum Teil Brent Schuld hat. Brent ist Phoebes Assistent. Er ruft mehrmals täglich aus New York an, um immer wieder das Gleiche zu sagen. »Alice, bitte bestätigen Sie mir, dass für Ms. Carmichael definitiv ein Zimmer im Dorchester mit
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