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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition)
Autoren: Anica Schriever
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Mann kennenzulernen ist wie ein Sechser im Lotto. Oft genug entpuppen sich die anfangs so toll geglaubten Kerle bei näherer Betrachtung als bereits vergeben, schwul, oder sie sind schlichte Vollidioten. Oder alles zusammen. Ich habe jahrelange Studien geführt. Und auch wenn meine Mutter anderer Ansicht ist, ich besitze keine astronomisch hohen Ansprüche an die männliche Erdbevölkerung. Höchstens Prinzipien.
    Bleibt die Frage, wie ich aus dieser Ich-bringe-meinen-Freund-mit-Nummer herauskomme. Notfalls muss ich wohl improvisieren. Ich verstehe davon zwar ungefähr so viel wie ein Kaninchen von Algebra, aber für alles gibt es ein erstes Mal. Wenn es nach Moritz’ unqualifizierter Meinung geht, wäre es sowieso das Beste, meiner Familie reinen Wein einzuschenken. Sowohl was das Studium als auch was Stephan betrifft. »Den Kopf werden sie dir schon nicht abreißen«, versuchte er mir beim Abschied altklug weiszumachen. Ich sparte mir eine bissige Bemerkung und packte stillschweigend meinen Koffer zu Ende.
    Eine halbe Stunde später stehe ich verschwitzt und abgekämpft vor meinem Elternhaus. Ich lasse den Blick über die Vorderfront des zweistöckigen Hauses im Klassizismus-Stil gleiten. Die Fassade mit dem Gesims ist neu verputzt worden und hat einen cremefarbenen Anstrich erhalten, links und rechts neben der Eingangstür zur Wohnung und zum Verkaufsraum blühen die Rosensträucher in einem kräftigen Karmesinrot. Im Schaufenster funkelt das messingene Schild »Bäckerei & Konditorei Behrens – gegr. 1947« in der Nachmittagssonne.
    Alles wie immer.
    Schwungvoll betätige ich den Klingelknopf, bevor ich es mir anders überlege und ohne ein Wort abdampfe. Kurz darauf wird die Tür geöffnet, und meine Mutter steht im Türrahmen.
    »Hallo, Mama.«
    »Miriam? Was machst du denn hier?«
    »Komme ich ungelegen?«, erkundige ich mich verunsichert. Ob ich doch vorher hätte anrufen sollen, um die Lage abzuchecken?
    »Nein. Nein, natürlich nicht. Was für eine Überraschung!« Sie kommt auf mich zu und schließt mich heftig in die Arme. Erleichtert erwidere ich die Umarmung. Mir fallen mindestens drei Mühlensteine vom Herzen.
    Das Verhältnis zu meiner Mutter war nicht immer einfach, oft genug brachte sie mich mit ihren Ansichten auf die Palme, wie Mütter eben sind. Aber sie bemühte sich, mich zu verstehen und meine Handlungen nachzuvollziehen. Im Gegensatz zu meinem Vater. Der schaltete grundsätzlich auf stur. Für gewöhnlich übernahm Mama dann die Rolle der Vermittlerin zwischen den verhärteten Fronten. Letzten Endes stellte sie sich jedoch auf die Seite meines Vaters. Das bockige Kind beruhigte sich schon wieder, im Unrecht war es sowieso.
    »Ich freue mich, dass du da bist! Das ist das schönste Geschenk, das du mir machen konntest«, sagt sie glücklich und zieht mich mitsamt meinem Gepäck in den Flur.
    Im Haus hat ein frischer Wind Einzug gehalten. Die hässliche alte Kommode ist einem neuen schnörkellosen Garderobenschrank aus Buche gewichen, der alte Teppichboden wurde entfernt und dafür helles Laminat verlegt. Als ich um die Ecke in den Ess- und Wohnbereich spähe, fängt Mama meinen Blick auf und lächelt sanft.
    »Es hat sich einiges verändert.«
    »Das sehe ich.«
    »Du bist zu lange fort gewesen.« Der leicht vorwurfsvolle Ton ist nicht zu überhören. »Warum bist du nicht früher zurückgekommen?«
    Augenblicklich versteife ich mich. »Ach, Mama, du weißt, wieso.«
    Sie seufzt.
    »Wie geht’s Alex? Und – Papa?«, frage ich, um das bedrückende Schweigen zu überspielen.
    »Gut. Es geht uns gut. Alexander hat seine Bäckerlehre erfolgreich abgeschlossen und ist inoffiziell in die Bäckerei eingestiegen. Zu mehr kann sich dein Vater nicht durchringen. Du kennst ihn ja. Bloß nicht die Verantwortung mit jemandem teilen, das würde ja einem Eingeständnis gleichkommen, dass er alt wird.« Meine Mutter verdreht die Augen zur Decke. »Ich habe ihn mehrmals gebeten, kürzerzutreten; Doktor Lange fordert das seit Jahren. Aber hört er auf uns? Natürlich nicht«, echauffiert sie sich.
    Ich kichere hinter vorgehaltener Hand. Typisch Papa! Nimmt sich weder die Ratschläge von seiner Frau noch von seinem Arzt zu Herzen. »Der olle Dickkopf!«
    Mama zuckt stoisch mit den Schultern. Nach dreiunddreißig Ehejahren weiß sie, wann es sinnlos ist, mit meinem Vater eine Grundsatzdiskussion zu führen. »Nun zu dir. Wie lange ist das her, seit du –«
    »Beinahe fünf Jahre«, falle ich ihr ins Wort.
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