Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh

Titel: Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
Autoren: Julie Kibler
Vom Netzwerk:
was zu tun war. Er hat
Momma gesagt, sie soll die Kleine warm halten und immer am Körper tragen, und
ihr gezeigt, wie sie sie füttern muss, Tröpfchen für Tröpfchen, mit
Spezialnahrung, die er eigens für sie gemischt hat. Momma, Daddy und ich, wir
haben uns abgewechselt. Dein Vater hat oft nach dem Rechten gesehen, Pearl
frische Babynahrung gebracht, sie gewogen und untersucht. In den ersten Wochen
stand es auf Messers Schneide, aber die Kleine hat’s geschafft.«
    Miss Isabelle wurde kreidebleich, und ich fasste sie am Arm, weil
ich befürchtete, sie würde ohnmächtig werden und vom Stuhl fallen.
    Â»Mein Vater?«, fragte sie mit gepresster Stimme. »Das kann ich nicht
glauben.«
    Nell nickte. »Doch. Er hat dich geliebt, Isabelle, und sich um seine
Enkelin gekümmert. Doc McAllister war ein guter Mensch mit einer großen
Schwäche: Er hatte Angst vor deiner Mutter.«
    Â»Warum hat er mir nichts gesagt?«, fragte Miss Isabelle. »Wieso hat
er mir verschwiegen, dass sie lebt?«
    Â»Wer hat behauptet, dass die Kleine tot ist?«, wollte Nell wissen.
    Â»Mutter hat gesagt, sie sei viel zu früh gekommen, es sei das Beste
gewesen so.«
    Â»Oje«, seufzte Nell, stand auf und berührte Miss Isabelles Arm. »Und
wir dachten, du willst sie nicht.«
    Ich stellte die Tasse, die ich gerade in die Hand genommen hatte,
scheppernd zurück auf die Untertasse, sodass der Kaffee überschwappte.
    Miss Isabelle starrte auf ihren Schoß und wiegte sich vor und
zurück.
    Â»Deine Mutter hat Sallie einen verschlossenen Umschlag mitgegeben.
Sallie hat ihn unter die Decke gesteckt, in die Pearl gewickelt war. Wir haben
ihn erst später gefunden. Darauf stand: ›Ich will dieses Kind nicht. Bitte
versucht nicht, mit mir Kontakt aufzunehmen.‹«
    Sie alle hatten geglaubt, Miss Isabelle hätte ihre Tochter
verstoßen. Mir fiel wieder ein, wie kühl Nell Miss Isabelle bei der Begegnung
auf dem Markt behandelt hatte. Jetzt begriff ich, warum.
    Â»Und ob ich sie gewollt hätte«, widersprach Miss Isabelle mit
zitternder Stimme. »Meinem Vater war das klar. Warum hat er nichts gesagt?«
    Â»Er wusste nichts von der Nachricht. Wenn, hätte er wahrscheinlich
befürchtet, dass du versuchst, sie zurückzuholen. Dann hätte deine Mutter uns
das Leben erst recht zur Hölle gemacht. Sie hatte uns ja vor die Tür gesetzt.
Zum Glück kamen wir zurecht – Daddy hatte eine Lohnerhöhung bekommen, und ich
wollte bald eine eigene Familie gründen. Ich glaube, dein Vater hatte nicht nur
Angst vor deiner Mutter, sondern auch Angst um Robert. Damals wurden schwarze
Jungen und Männer aus nichtigerem Anlass umgebracht. Schon eine Weiße
anzuschauen galt als Verbrechen. Und ein weißes Baby zeugen? Das hätten deine
Brüder nicht geduldet. Sie hätten dafür gesorgt, dass er gelyncht wurde. Wir
konnten es nicht glauben, dass du sie nicht wolltest, vor allem Momma und ich.
Aber am Ende haben wir uns damit abgefunden, und auf lange Sicht war es wohl
für alle Beteiligten das Beste.«
    Â»Hat Pearl später von mir erfahren? Mein Name stand in ihrem
Adressbuch …«
    Â»Zu Lebzeiten von Momma haben wir nie offen darüber gesprochen.
Seinerzeit schwieg man solche Fälle tot. Die offizielle Version sah
folgendermaßen aus: Sallie Ames hatte in einem anderen Ort einem Frühchen auf
die Welt geholfen, und die Mutter starb bei der Geburt. Sie hatte die Kleine
Momma gebracht, weil die gerade keinen Job hatte und sich um sie kümmern
konnte. Dein Daddy hat uns lange Geld für Pearl gegeben, sogar noch, als Momma
wieder arbeitete und ich sie tageweise zu mir nahm. Es lagen immer kleine
Umschläge mit Geld unter unserer Tür, ohne Absender. Wir wussten, von wem sie
waren und wofür. Vor seinem Tod kam dann ein größerer Betrag – genug, um Pearl
aufs College zu schicken. So konnte Momma sie aufziehen, als wäre sie ihre
eigene Tochter.«
    Â»Mir war Cora auch eine bessere Mutter als meine leibliche«, sagte
Miss Isabelle. »Dafür bin ich ihr dankbar. Doch ich hätte gern erfahren, dass
mein Kind am Leben ist. All die Jahre habe ich sie für tot gehalten. Und
Robert? Wusste er Bescheid?«
    Â»Ich vermute, ja, obwohl er nicht zu uns zurückkehrte, nachdem ihr
beide fortgelaufen wart. Abgesehen von den paar Tagen, als er … verletzt war.
Während seiner Zeit beim
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher