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zorneskalt: Thriller (German Edition)

zorneskalt: Thriller (German Edition)

Titel: zorneskalt: Thriller (German Edition)
Autoren: Colette McBeth
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keine Kalorien, weil sie schmilzt. Sie sieht ehrlich gesagt aus, als habe jemand ihr altes Schulgesicht wie einen Ballon aufgepumpt und dick mit orangerotem Make-up bedeckt. Ihr Pagenschnitt ist wasserstoffblond und endet abrupt auf Höhe des Unterkiefers. » Ghosty« hat sie mich genannt und allen erzählt, man könne die blauen Adern unter meiner Haut sehen. Oh, daran erinnere ich mich jetzt und lächle innerlich. Ich lächle innerlich und äußerlich.
    » O mein Gott, Rachel, du bist’s!« Sie stößt mich mit dem Ellbogen an. » Wir sehen dich so oft in der Glotze, und jetzt bist du hier. Als wir dich gesehen haben, konnten wir nicht glauben, dass du’s wirklich bist, so sehr hast du dich verändert. Du bist jetzt so elegant, und du bist WINZIG , nicht wahr, Debs? Wie hast du all das Gewicht verloren? Ich brauch unbedingt ein paar Tipps«, sagt sie und kneift mit Daumen und Zeigefinger in einen Wulst Bauchfett, um zu zeigen, was sie meint. Ich weiß, wie sich das anfühlt, der sehnliche Wunsch, schlank zu sein. Jetzt haben wir die Rollen getauscht.
    Sarah hört nicht zu reden auf, aber ich merke, dass Debbie zu Boden sieht und keinen Blickkontakt mit mir aufnehmen will. Ich spüre meine Schultern wieder steif werden. Hier soll doch ich unter Druck stehen, oder nicht? Aber ich halte mich nicht lange mit dem Gedanken auf, weil Sarah mich mit einer ungelenken Umarmung an sich zieht und mein Gesicht an ihren Hals quetscht. Sie riecht nach 1991. Calvin Klein Eternity. Dabei denke ich (mit noch größerer Befriedigung), dass sie sich fast gar nicht weiterentwickelt hat.
    » Wie machst du das bloß? Jeden Abend vor Millionen von Leuten im Fernsehen dastehen? So professionell! Ich könnte das nie. Sagt dir jemand, was du sagen sollst? Oder denkst du dir alles selbst aus?« Sie macht keine Pause, um Luft zu holen. Aber ihr Blick irrlichtert umher, sie kann mich nie länger als eine Sekunde ansehen. Sie ist nervös, denke ich. Mein Job hat mich in ihren Augen erhöht. Ich bin jetzt jemand, mit dem es sich zu reden lohnt.
    Sie legt Mantel und Schal ab – beide in Pink –, um ein purpurrotes Top sehen zu lassen, das es kaum schafft, ihre riesigen Titten zusammenzuhalten.
    » Ich wollte, ich bekäme gesagt, was ich sagen soll, dann wär’s manchmal vielleicht vernünftiger.« Ich lache und stelle überrascht fest, dass ich ihre Aufmerksamkeit genieße. Das Schulmädchen in mir will anscheinend noch immer gemocht werden. » Ich kann Clara nicht erreichen«, füge ich hinzu.
    Ihr Blick streift rasch Debbie, die sich in der Bar umsieht, und dann lacht auch sie: ein gezwungenes, schrilles Lachen.
    » Hast wohl Angst, mit uns allein zu sein?« Sarah rempelt mich scherzhaft an. » Sie kommt schon noch, verlass dich drauf. Wenigstens haben wir jetzt Gelegenheit, dich nach ihrem Neuen aushorchen.«
    Etwas gerät mir in die Kehle, eine Blase des Proseccos oder vielleicht Debbies Parfüm. Jedenfalls muss ich husten.
    » Komm, wir setzen uns, dann kannst du uns alles über ihn erzählen«, sagt Sarah.
    Ein Kellner führt uns durch die Menge in den dunkleren Teil der Bar. Sein weit aufgeknöpftes orangerotes Hemd lässt dichte Brustbehaarung auf brauner Haut sehen. Mir fällt auf, dass die Kleiderordnung fürs Personal so wenig Kleidung wie möglich vorzuschreiben scheint. Er platziert uns an einem Tisch mit Teelichten, die Sarahs und Debbies Gesichter geisterhaft beleuchten. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
    » Auf alte Freunde«, sagt Sarah, sobald wir sitzen. Sie stößt in einer routinierten Bewegung erst mit mir, dann mit Debbie an.
    » Auf alte Freunde«, wiederhole ich und sehe wieder zum Eingang hinüber, ohne eine Spur von dir zu entdecken.
    » Wahrscheinlich ist’s der, von dem sie mir vor ein paar Wochen erzählt hat. Ich glaube nicht, dass sie’s ernst mit ihm meint«, sage ich.
    Wie du weißt, ist das ist ein Bluff, Clara, denn du hast mir nichts von einem neuen Mann in deinem Leben erzählt. Aber ich bin nicht verärgert, nur überrascht und ein bisschen verlegen, weil sie erwarten, dass ich alles über dich weiß. Wir stehen einander so nahe, dass wir fast eins sind – das denken sie zumindest.
    » Ich glaube nicht, dass das stimmt.«
    Die Stimme ist ruhiger, eine halbe Oktave höher als Sarahs, nicht von Kichern unterbrochen. Dies sind die ersten Worte, die Debbie sagt. Sie spricht mit einem selbstgefälligen Unterton. Ich sehe sie mir erstmals richtig an. Sie ist kleiner, als ich sie in Erinnerung
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