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Zorn

Zorn

Titel: Zorn
Autoren: John Sandford
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»Keine Gefahr. Aber du warst ganz schön lange da drin.«
    »Ja.«
    Vor seinem geistigen Auge sah Lucas Brian Hansons gefrorenes Gesicht. Er hatte Hanson nie sonderlich gemocht, weil er ihm zu altmodisch war, aber ein schlechter Ermittler war er nicht gewesen.
    Als sie um die Ecke fuhren, sagte Del etwas, auf das Lucas nicht reagierte. Del sah ihn fragend an. »Wo bist du mit deinen Gedanken?«
    »Ich habe die Leiche von Brian Hanson in der Gefriertruhe gefunden.«
    Del lachte unsicher. »Verarschst du mich?«
    »Nein. Der Mann liegt im Keller in der Gefriertruhe, Raureif auf dem Gesicht. Ich hab einen Riesenschreck gekriegt. Einen Stapel Kinderpornos und einen Computer, auf dem bestimmt weiteres Material ist, habe ich auch entdeckt. Dazu einen Aktenordner mit Werbebroschüren aus Thailand, in denen junge Mädchen angeboten werden. Der Kerl handelt mit Trödel; die Wohnung ist voll davon …«
    »Verrückt.«
    »Ja.«
    Als sie Dels Wagen erreichten, streifte Lucas die Gartenhandschuhe ab und steckte sie in die Tasche.
    »Wenn er tatsächlich verrückt ist, verbringt er den Rest seines Lebens in St. Peter.«
    St. Peter war die Anstalt, in der in Minnesota geisteskranke Kriminelle untergebracht wurden.
    Lucas zuckte mit den Schultern.
    »Mann, wenn du ihn tötest …«, sagte Del.
    »Die Leier hab ich mir schon mal anhören müssen. Bitte erspar sie mir.«
    Sie schwiegen eine Zeitlang, bis Del sagte: »Wenn es uns gelingt, einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen, können wir uns das Haus morgen offiziell anschauen.«
    »Das muss ich mir überlegen. Aber auf jeden Fall müssen wir Shrake oder Jenkins herrufen, damit die das Haus über Nacht im Auge behalten, falls Hanson auftaucht. Schließlich wollen wir nicht, dass er seinen Onkel aus der Gefriertruhe holt und verschwinden lässt.«
    »Was sonst noch?«
    »Ich habe eine Verizon-Rechnung mit seiner Handynummer. Wir müssen über Verizon rausfinden, von wo aus er telefoniert. Wahrscheinlich brauchen wir dafür einen richterlichen Beschluss.«
    »Machen wir alles morgen«, sagte Del. »Holen wir erst mal Jenkins her, damit der das Haus beobachtet. Und morgen schnappen wir ihn uns dann.«
    »Ich will nicht, dass er in St. Peter landet«, erklärte Lucas. »Ich möchte das jetzt regeln.«
    Del sah ihn an. »Nicht mehr heute Nacht.«
    »Okay, du hast recht. Wir haben ihn – jetzt muss ich mir nur noch überlegen, wie wir ihn fassen. Ich mache einen kurzen Zwischenstopp beim Laden und fahre dann nach Hause.«
    »Beim Laden?«
    »Ich muss griechischen Joghurt und Cola vorweisen können, falls Letty auf mich wartet«, erklärte Lucas grinsend. »Gott, dieses Mädchen. Schalt dein Handy aus, damit sie dich nicht erreichen kann. Sie soll die ganze Nacht aufbleiben und darüber nachdenken, was passiert sein könnte.«
    »Das ist gemein«, erwiderte Del.
    »So ist das Leben. Wenn du jemanden verarschst, darfst du dich nicht wundern, dass er sich revanchiert. Auch wenn’s der eigene Vater ist.«

DREIUNDZWANZIG
    Lucas kroch ins Bett und lag eine Stunde lang wach, weil er überlegte, wie sie sich Roger Hanson schnappen würden. Er kalkulierte, dass sie etwa zwei Tage Zeit hätten, bis sich herumsprach, dass sein Team an etwas Konkretem arbeitete. Dann würden sich die Bürokraten darauf stürzen und versuchen, am Ruhm für die Lösung des Falls und die Ergreifung des Polizistenmörders teilzuhaben. Wenn sie sich einmischten, würde sich das Ganze in eine Treibjagd auf Hanson verwandeln.
    Lucas hatte ein paar Asse im Ärmel: Er wusste , wer der Killer war, und auch, wie er ihn über sein Handy aufspüren konnte. Doch um Fragen darüber, woher er das wusste, zu vermeiden, musste er einen logischen Pfad von Schlussfolgerungen konstruieren. Darrell Hanson und seine Frau hatten die Weichen gestellt, indem sie ihn auf Roger brachten. Das genügte zwar nicht für einen Durchsuchungsbefehl und eine Festnahme, aber es war immerhin ein Anfang.
    Er musste Darrell Hansons Hinweis ganz offen aufnehmen, wie jeder Ermittler es getan hätte, und eine Argumentation gegen Roger aufbauen. Einen Teil der Arbeit hatte er durch seinen Verdacht gegen Darrell schon erledigt.
    War Rogers Van tatsächlich weiß und nicht mit Rosen oder etwas Ähnlichem bedeckt? Hatte er an einer Schule unterrichtet? Darrell glaubte das nicht, aber er konnte sich irren.
    Lucas fragte sich, wo Hanson sich versteckte. Was, wenn er sich nach Mexiko oder Thailand abgesetzt hatte? Was, wenn er gerade im Flughafen von Seattle oder
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