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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen
Autoren: Stephan Ludwig
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Staatsanwalt!«
    »Raus!«, brüllte Sauer, und die Brünette schloss die Tür ebenso leise, wie sie sie geöffnet hatte.
    Dieser Ausbruch schien irgendwie geholfen zu haben. Mit einem resignierten Seufzen sank Sauer zurück, strich sich mit einer sorgfältig einstudierten Bewegung über die linke Augenbraue, holte tief Luft und fuhr wesentlich ruhiger fort: »Wir haben es mit einem Psychopathen zu tun, und wenn das bekannt wird, geht in den Medien die Hölle los. Du, Claudius«, er deutete mit sorgfältig manikürtem Zeigefinger auf sein Gegenüber, »wirst ihn finden. Der Typ ist krank.«
    »Wer sagt das?«, fragte Zorn unschuldig.
    »Meine Intuition«, erwiderte der Staatsanwalt bescheiden.
    Zorn biss sich von innen auf die Wange, um nicht lauthals loszuprusten.
    Sauer verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Oder wie erklärst du mir, wie sieben Liter menschliches Blut in ein Abrisshaus in der Kleiststraße gelangen?«
    »Kantstraße, Herr Staatsanwalt«, korrigierte Schröder höflich aus dem Hintergrund.
    Sauers Blick blieb starr auf Zorn gerichtet.
    »Und genaugenommen«, fuhr Schröder unbeirrt fort, »handelt es sich nicht um sieben, sondern um zirka fünf Komma vier Liter Blut.«
    Der Staatsanwalt versteifte sich ein wenig, er war es nicht gewohnt, berichtigt zu werden. Scheinbar ruhig fragte er Zorn: »Was haben wir noch?«
    »Null Rhesus negativ.«
    »Was?«, fragte Sauer.
    »Die Blutgruppe«, erklärte Schröder gutgelaunt. »Null Rhesus negativ.«
    Sauer bedachte ihn mit einem kurzen Seitenblick, überlegte, ob dieser kleine, beleibte Mensch in der Ecke einer Antwort würdig sei, entschied sich dagegen und wandte sich wieder an Zorn: »Zuerst wirst du das Opfer finden.«
    »Die Frau!«
    Das war wieder Schröder. Fast unmerklich spannten sich Sauers Wangenmuskeln.
    »Das Blutbild weist vier Komma drei Millionen Erythrozyten pro Milliliter auf«, rezitierte Schröder, »wir haben es mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit mit dem Blut einer Frau zu tun.«
    »Also ein Sexualdelikt«, meinte Sauer, immer noch an Zorn gewandt.
    »Da wär ich nicht so sicher«, ließ Schröder sich liebenswürdig von hinten vernehmen.
    Jetzt, dachte Zorn, wird er gelyncht.
    Sauer erhob sich, ging mit langsamen Schritten durchs Zimmer, baute sich direkt vor Schröder auf und musterte ihn wie ein seltenes Insekt.
    »Die Frau war ungefähr fünfzig, Herr Staatsanwalt, übergewichtig und wahrscheinlich nicht sonderlich attraktiv«, erklärte Schröder und nahm Haltung an. »Nach gängigem Raster nicht unbedingt das klassische Opfer eines Triebtäters.«
    Er strahlte den Staatsanwalt mit großen Augen an. Sauer wippte kurz auf den Zehenspitzen und wandte sich dann wieder an Zorn. »Woher wissen wir das?«
    »Laktatwerte, Thrombozyten, Eisenwerte, alles so was«, riet Zorn aufs Geratewohl.
    »Und natürlich der Hämatokritwert«, flötete Schröder, jede einzelne Silbe betonend. »Aus dem Blutbild lassen sich Rückschlüsse auf den kompletten Phänotypen ziehen.«
    »Was haben wir noch?«
    »Keinerlei Fingerabdrücke, einen fabrikneuen CD -Player inklusive CD und ein paar Fußspuren.«
    »Ansonsten?«
    »Ansonsten nichts«, sagte Zorn.
    »Nothing«, ergänzte Schröder.
    »Was?« fragte Sauer.
    »Niente!«, erwiderte Schröder.
    Zorn warf ihm einen warnenden Blick zu. Schröder biss sich auf die Lippen und schwieg.
    »Okay.« Sauer hatte offensichtlich genug. »Ich erwarte einen täglichen Bericht. Und ich erwarte vollen Einsatz. Irgendwas stimmt hier nicht.«
    Blitzmerker, dachte Zorn.
    »Doofkopf«, murmelte Schröder, als sie das Zimmer verließen.
    »Nanana«, sagte Zorn. Aber sehr vorwurfsvoll klang es nicht.
    *
    »Wieso eigentlich die laute Musik?«, fragte Schröder.
    Sie standen wieder im Fahrstuhl. Zorn betrachtete sein Spiegelbild in den verchromten Wänden und stellte zum wiederholten Male fest, dass er, wenn schon nicht erfolgreich, doch wenigstens attraktiv war.
    »Er ist ungeduldig«, erwiderte Zorn.
    »Er?«
    »Glaubst du, dass wir es mit einer Frau zu tun haben?«
    »Nein, Chef.«
    »Er wollte auf Nummer sicher gehen. Ich habe keine Ahnung, was genau da passiert ist, aber ich glaube, dass er einen abgeschiedenen, stillen Ort brauchte, um in aller Ruhe das zu tun, was er getan hat. Und jetzt, wo er fertig ist, wartet er auf uns. Mit dem CD -Player hat er eine Möglichkeit gefunden, uns zu sagen, dass er bereit ist.«
    »Bereit?«
    »Er hat uns gerufen.«
    »Uns?«
    »Die Bullen.«
    »Hm«, machte Schröder,
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