Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn des Loewen

Zorn des Loewen

Titel: Zorn des Loewen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
der Grants zustapfte, war es schon ganz dunkel geworden.
      Er betrat das Haus durch die Küche und wurde von der Stille empfangen, einer merkwürdigen, geheimnisvollen Stille, in die sich ein Haus hüllt, wenn sich keine Menschenseele darin befindet. Das Gefühl einer erdrückenden Einsamkeit erfaßte ihn.
    Dann rief er mit heiserer, gebrochener Stimme: »Anne?«
      Doch nur das Haus lauschte ihm. Er taumelte in das Wohnzimmer, öffnete die Vitrine und goß sich einen Brandy ein. Er schlürfte ihn schweigend und erinnerte sich dabei an sie, als sie hier vor so langer Zeit im weichen Schein der Lampe am Feuer gestanden hatte.
      Die Dunkelheit schien mit einem seltsamen Flüstern über ihn hereinzubrechen. Er schloß die Augen ganz fest, um das Gefühl von Panik zu bekämpfen, von Verzweiflung, das von ihm Besitz ergriff. Der schreckliche Augenblick ging vorüber. Er stellte das Glas ab und verließ das Haus durch die Terrassentür.
    Der Mond stand klar am Himmel, und die Sterne breiteten sich über ihn bis zum Horizont. Als Mallory die Kuppe des Hügels am westlichen Ende der Insel erklommen hatte, lag St. Pierre mit seinem Schloß wie ein Scherenschnitt aus schwarzem Karton vor seinen Augen. Ein atemberaubend schöner Anblick, wie aus einem Kindermärchen.
      Unter ihm vollzog sich der Gezeitenwechsel, weiße Wasser brachen über das Riff herein, und Felsspitzen reckten sich in das Mondlicht. Von Minute zu Minute würde das Wasser jetzt absinken, bis es schließlich für eine knappe Stunde den schroffen Weg, der die beiden Inseln verband, freigab. Eine Stunde nur, dann würde die Flut wieder tosend hereinbrechen. Aber es gab keinen Grund, sich darüber jetzt noch Gedanken zu machen. Er war seit der Landung mit dem Ruderboot in einer solchen Hetze gewesen, daß er sogar vergessen hatte, sich seiner Schwimmweste zu entledigen. Unwillkürlich strich er mit der Hand darüber. Dann lief er am Rand der Klippen entlang, bis er an eine kleine Felsschlucht gelangte, die zum darunterliegenden Ufer hin leicht schräg abfiel. Dort machte er sich an den Abstieg.

    Marcel öffnete die schwere Tür, und de Beaumont trat ein. Der Raum hatte keine Fenster, war aber von einer nackten Glühbirne, die von der Mitte der Decke herunterhing, taghell erleuchtet. Guyon und Hamish Grant saßen auf ein paar alten Kisten und sprachen leise miteinander.
      Sie erhoben sich; der alte Herr stützte sich dabei auf seinen Stock. Guyon war sehr blaß, schwarze Ringe lagen unter seinen Augen. Die tiefe Schramme auf seiner Stirn war blutverkrustet und entzündet.
      »Mir scheint, ich muß Ihnen gratulieren, Captain Guyon«, sagte de Beaumont ruhig.
      Guyon schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Sie waren von Anfang an verloren. Schade, daß Sie das nicht früher bemerkt haben.«
    »Ich wär' mir da nicht so sicher. Noch ist das Spiel nicht vorüber.«
      »Das wird es in dem Augenblick sein, wo Colonel Mallory an Land geht.«
      »Und was ist, wenn er das gar nicht kann? Aus dem, was man mir berichtet hat, schließe ich, daß die Fleur de Lys gerade sank, als sie zuletzt gesehen wurde.«
      »Sie vergessen Granville und seine Frau. Die werden jetzt sicher schon die Behörden unterrichtet haben. Ihre Uhr läuft ab, de Beaumont. Sie hatten von Anfang an unrecht. Wir brauchen Sie und Ihre gedungene Räuberbande nicht, um uns vorzuschreiben, wie wir Frankreich zu regieren haben.«
      Marcel machte einen Schritt auf Guyon zu, doch de Beaumont hielt ihn zurück. »Laß ihn weiterreden.«
      »Die wahre Größe eines Landes liegt in den Herzen seiner Bürger, nicht in der Zahl seiner Besitztümer. Und Frankreich ist das Volk. Auf die eine oder andere Art war Blutvergießen und Leiden alles, was man ihm seit 1939 zugefügt hat, und davon hat es jetzt genug. Nur Sie nicht, Colonel. Sie können, selbst wenn Sie es wollten, nicht aufhören.«
      »Was ich getan habe, habe ich zum größeren Ruhme Frankreichs getan«, erklärte de Beaumont.
      »Oder zum größeren Ruhme Philippe de Beaumonts? Was ist richtig? Erkennen Sie überhaupt noch den Unterschied? Haben Sie das jemals gekonnt?«
      De Beaumonts Gesicht schien einzufallen, und zum ersten Mal seit Guyon ihn kannte, wirkte er wie ein alter Mann. Er wandte sich ab und ging hinaus. Marcel zögerte noch einen Moment und folgte ihm dann. Die Tür schloß sich, und die Riegel schnarrten wieder davor.
      »Ganz nette Rede«, sagte Hamish Grant in die Stille, die nun folgte.
    »Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher