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Zirkus zur dreizehnten Stunde

Zirkus zur dreizehnten Stunde

Titel: Zirkus zur dreizehnten Stunde
Autoren: Cassy Fox
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hätte.
    „Wie dem auch sei, du kannst jetzt zumindest beweisen, dass du ein wenig erwachsener bist. Es gibt viel zu tun.“ Shawns langer Arm deutete nach vorne und ein schelmisches Glitzern trat in seine Augen. Dann ging er mit langsamen Schritten davon.
    Das Seufzen von Faith folgte ihm. Ihr Blick wanderte zurück zu dem Chaos.
    Barbara stand Haare raufend in der Mitte und schüttelte den Kopf. Weiter hinten bückte sich Mischka, die Näherin, der die ganzen Kleidungsstücke gehörten. Vielleicht wäre es wirklich sinnvoll, den beiden zu helfen. Jack badete wahrscheinlich gerade seine Standpauke und anschließende Strafe aus. Vielleicht konnte Faith sein und ihr Schicksal ein wenig abmildern, wenn sie einige gute Taten vollbrachte.
    Ihre ersten Schritte führten sie zu Mischka. Sie hatte wahrscheinlich am meisten gelitten. Faith wollte sich gar nicht ausmalen, wie viel Arbeit sie und Jack zerstört hatten, als sie durch den Zirkus gefegt waren. Es war sogar noch schlimmer als befürchtet. Ein schuldbewusster Stich fuhr Faith durch die Brust, als sie bei der Schneiderin ankam.
    Mischka war eine ruhige Frau. Ihre braunen Haare waren meist hochgesteckt, ihr Körper war etwas groß, aber nicht weiter ungewöhnlich – doch ihre Hände stachen heraus. Die Finger waren unglaublich lang und dürr. Sie maßen fast noch einmal die Länge des gesamten Unterarmes. Dazu diese langen Nägel, die noch einmal halb so lang waren wie ein menschlicher Finger. Man hätte meinen sollen diese Hände würden sie behindern, aber manchmal glaubte Faith, dass Mischka gerade wegen dieser Finger so begabt als Weberin und Schneiderin war. Was auch immer man von ihr wollte, Mischka konnte jedes Kleidungsstückt genau nach Wunsch erschaffen. Es passte wie angegossen und niemals störte auch nur eine Kleinigkeit. Die Auswahl ihrer Stoffe war zudem gigantisch und bildete eine zusätzliche Einnahmequelle für den Zirkus.
    Mischkas Gemütszustand war nicht so wandelbar, wie ihr Handwerk. Sie seufzte ständig, gab sich wie eine Mutter, die sich um die Kleinen kümmern musste. Freundlich aber sehr bestimmt. Auch jetzt stand sie in dem Chaos, zeterte über die Verwüstung und haderte mit ihren gerade fertig gewordenen und wieder zerstörten Werken.
    Faiths Schritte wurden langsamer je näher sie kam. Es tat ihr leid, die Frau so zu sehen. Sie war eine der liebsten Seelen hier und gerade sie war in Mitleidenschaft gezogen worden. Kurz vor der Schneiderin blieb Faith mit schuldbewusstem Blick stehen.
    „Hallo“, Faith trat zaghaft näher, die Hände in Hüfthöhe gefaltet, „kann … ich dir helfen?“
    Mischka fuhr zu ihr herum und funkelte sie an. „Du meinst, nachdem ihr alles verwüstet habt?“
    Einen kurzen Moment überlegte Faith, ob Antigones Standpauke nicht besser gewesen wäre. Sie zuckte unter dem strafenden Blick zusammen. „Es tut mir leid“, murmelte Faith, versuchte ein entschuldigendes Lächeln und bemühte sich, so unschuldig wie möglich auszusehen.
    Einen Moment starrte Mischka sie noch wütend an, dann verflüchtigte sich ihr Zorn. „Na schön“, ein Seufzen, ein geschlagener Gesichtsausdruck und ein Kopfschütteln. „Dann hilf mir das Chaos hier zu beseitigen.“ Sie reichte Faith einen großen Korb und deutete mit dem Kinn auf die verstreute Kleidung.
    Hatte der Korb in Mischkas Händen noch normal groß gewirkt, strauchelte Faith einen Moment, als sie ihn annahm. Mit einem Schlag schien er an Größe zuzunehmen und dehnte sich monströs aus. Seufzend wandte sie sich um. Nach und nach hob sie die unterschiedlichen Sachen auf. Es war alles Mögliche dabei. Scheinbar hatte jeder im Zirkus gerade etwas Neues bei Mischka bestellt. Und nun war vieles dreckig oder vollkommen zerstört.
    Die Kleidung war so völlig anders, als sie von den Menschen außerhalb im Zirkus getragen wurde. Das, was Frau oder Mann von Welt anhatte, war nicht, oder nur selten und dann in stark abgewandelter Form, zu finden. Die normale Mode, enge Röcke und geraffte Schößchen, gab es im Zirkus nicht. Geschmückte Hüte gehörten hier nicht zur gängigen Gepflogenheit, die Röcke wurden nicht aufgebauscht und aufgepuffte Ärmel fanden nur selten Abnehmer. Die Männer trugen keine Sakkos oder Fracks, selbst Westen waren nur hin und wieder zu sehen. Die meisten im Zirkus bevorzugten Hemden, die nur allzu häufig offen getragen wurden. Die Frauen hatten flatternde Röcke oder auch mal Hosen an. Etwas, das bei den Menschen in der Stadt undenkbar
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