Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)

Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)

Titel: Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
Autoren: Peter Maczollek , Leslav Hause
Vom Netzwerk:
hatte, auf der das draufstand. Er machte ein bisschen auf James Dean von Gelsenkirchen und war für mich ein echtes Vorbild. Und wie ich meine ersten Gehversuche auf der Straße machte, war ich eben der kleine Bruder von Rocker-Uli, und das machte auf viele Jungs in meinem Alter großen Eindruck. Nicht, dass ich ständig damit drohen musste, meinen großen Bruder zu rufen, wenn es knifflig wurde. Nein, die Tatsache war bekannt und der Respekt, den er sich als Rocker auf der Straße erarbeitet hatte, ging irgendwie auch auf mich über. Es ist also unnötig, näher zu erklären, dass auch ich schon recht früh einen klar definierten Zukunftsplan hatte: Rocker werden! Oder eben auch Fußballer.
    Les kannte ich zu jener Zeit noch nicht, obwohl ich ihm damals mit Sicherheit auf den Trainingsplätzen von Schalke über den Weg gelaufen sein muss. Und natürlich schauten wir Kleinen auf die B-Jugendmeister hoch. Die hatten schließlich wirklich etwas erreicht. Deutscher Meister – das war schon was. Auch ich war in diesen Jahren ein talentierter Jungfußballer, daran dürfte es wenig Zweifel geben, aber im Gegensatz zu Les, der immer auf die volle Unterstützung seines Stiefvaters zählen durfte, war ich im Hinblick aufs Kicken völlig auf mich alleine gestellt. Mein Vater war schon Mitte 40, als ich zur Welt kam, hatte nur ein Bein und war nach der Arbeit und mit fünf Kindern eigentlich ganz gut ausgelastet. Meine Eltern waren sehr gut zu mir und ließen mich gleichzeitig mein Ding machen. Und wenn ich manchmal vor meinem Vater stand und ihn mit großen, fragenden Augen anschaute, hieß es: »Geh raus und spiel!« Und genau das habe ich dann auch gemacht.
    Mit sieben dann hatte ich mich einfach ohne Wissen meiner Eltern im Fußballclub angemeldet. Nach einer Unterschrift der Erziehungsberechtigten hat zu der Zeit keiner gefragt. Und aus der Sicht meines Vaters hatte ich doch alles richtig gemacht: Ich ging raus und spielte. Für meine Eltern war das nichts Besonderes. Der Junge ging eben auf den Bolzplatz wie andere Kinder auch, mochten meine Leute gedacht haben – mehr war da aber auch nicht. Und so muss es nicht überraschen, dass ich mich deutlich früher als Les gegen den Fußball und für das Leben auf der Straße entschieden habe. Zwischen meinem 12. und 14. Lebensjahr spielte ich auf Schalke und danach war Schluss. Mein neuer Club hieß fortan nicht mehr S04, sondern die Harlem Boys, wie wir uns damals nannten. Die älteren Jungs in der Gang fuhren Kreidler oder Zündapp, die jüngeren kamen eben mit dem Fahrrad zu den Treffen.
    Ich weiß noch, wie wir eines Tages einer anderen Gang gegenüberstanden und es ganz und gar nicht gut für uns aussah. Ich muss so um die 16 Jahre alt gewesen sein, wir waren zu zwölft und uns gegenüber eine Gruppe von 30 oder 40 Jungs aus Bismarck. Klaus, unser damaliger Präsident, sagte dann: »Wer jetzt wegrennt, kriegt von mir eins auf die Fresse!«
    Und es ist tatsächlich keiner weggerannt. Wir haben die anderen einfach weggepölt und uns danach wie die Herrscher der Stadt, wenn nicht sogar der Welt gefühlt. Und aus den Harlem Boys wurden zwei Jahre später die »Devil Snakes« – mit richtigen Motorrädern. Diese Emotionen von damals, dieses Gefühl der Stärke, der Brüderlichkeit und des bedingungslosen Zusammenhalts werde ich nie vergessen. Das hat mich für den Rest meines Lebens geprägt.
    Bei uns in der Gegend gab es Jugendheime, sogenannte Falkenheime, und mit denen haben wir uns schon im frühesten Teenageralter geprügelt. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hatte. Ich bin weit davon entfernt, Gelsenkirchen mit amerikanischen Städten wie Detroit, Memphis oder Baltimore zu vergleichen, aber auch bei uns im Pott gab es einige Viertel, in denen die Polizei nur mit Mannschaftswagen auftauchte. In manche Viertel – wie damals etwa Essen-Katernberg – ist man nicht freiwillig reingegangen. Das war eine Welt für sich. Und vor allem eine ganz andere, als die meisten kennen.
    Das Leben bei uns auf der Straße war ein immerwährendes Kräftemessen. Es gab ständig was auf die Mütze, egal, wo man sich befand, und egal, wer einem gegenübertrat. Es war ein ewiges Hin und Her. In der Regel schickte die eine Bande kleine Jungs vor, die nur zum Provozieren abgestellt waren. Die sagten etwas Unschönes und flitzten dann ab. Und wenn die anderen hinterher sind, warteten die Großen hinter der Straßenecke – und dann gab es eins auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher