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Ziel erfasst

Ziel erfasst

Titel: Ziel erfasst
Autoren: Tom Clancy
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Bord. Dazu kamen noch vierzig ungelenkte Luft-Boden-Raketen, Kaliber 80 mm, die von außen liegenden Rohrstartbehältern abgefeuert wurden, und ein Dutzend AT-16 – lasergesteuerte Panzerabwehrlenkwaffen, die an zwei externen Pylonen unter den Stummelflügeln hingen.
    Die beiden Ka-50 waren »Notschnij«-(Nacht)-Modelle, die schon allein durch ihre schwarze Farbe in der Dunkelheit kaum zu erkennen waren. Als sie sich jetzt ihrem Ziel näherten, verhinderten nur die Nachtsichtgeräte der Piloten, ihre ABRIS-Moving-Maps-Navigationssysteme und ihr FLIR (Forward-Looking Infrared Radar), dass die Hubschrauber auf die steilen Felswände auf beiden Talseiten oder den Talboden prallten oder in der Luft miteinander kollidierten.
    Der Führungspilot überprüfte die Zeit bis zum Erreichen des Ziels und rief dann in das Mikro seines Headsets: »Sjem minut!« Sieben Minuten.
    »Ponjal« – Verstanden –, kam die Antwort aus dem Schwarzen Hai hinter ihm.
    Das Dorf, das sieben Minuten später in Flammen aufgehen würde, lag noch in tiefem Schlaf.
    In einer Scheune mitten in einer Gebäudegruppe auf der felsigen Anhöhe über dem Tal lag Israpil Nabijew auf seinem Strohlager und versuchte zu schlafen. Er steckte den Kopf in den Mantelkragen und verschränkte die Arme fest um seinen Brustgurt. Sein dichter Vollbart schützte seine Wangen ein wenig, aber seine hervorstehende Nasenspitze war schutzlos der Kälte ausgesetzt. Seine Handschuhe hielten die Finger warm, aber ein stetiger kalter Luftzug blies ihm die Ärmel bis zu den Ellenbogen hoch.
    Nabijew war ein Stadtkind. Er stammte aus Machatschkala an der Küste des Kaspischen Meeres. Er hatte zwar schon in unzähligen Scheunen, Höhlen, Zelten oder Erdgräben unter freiem Himmel genächtigt, war jedoch in einem Wohnplattenbau mit Strom, fließendem Wasser, Toiletten und einem Fernseher aufgewachsen, Annehmlichkeiten, die er im Moment schmerzlich vermisste. Doch er beklagte sich nicht. Er wusste, dass diese Inspektionstour nötig war. Es gehörte zu seinen Aufgaben, alle paar Monate die Runde zu machen und seine Truppen reihum zu besuchen, ob ihm das nun passte oder nicht.
    Wenigstens musste er nicht alleine leiden. Tatsächlich ging Nabijew nirgendwo alleine hin. Fünf Mitglieder seiner Sicherheitstruppe froren mit ihm in dieser eiskalten Scheune. Er hörte in der Dunkelheit ihr Schnarchen und roch ihre Körper und das Waffenöl ihrer Kalaschnikows. Die anderen fünf Männer, die ihn aus Machatschkala hierher begleitet hatten, hielten zusammen mit der Hälfte der einheimischen Kämpfer draußen Wache. Sie saßen hellwach mit dem Gewehr im Schoß vor der Scheune. Nur die Kanne mit heißem Tee, die ständig nachgefüllt wurde, spendete ihnen von Zeit zu Zeit etwas Wärme.
    Israpils eigenes Gewehr lag als letztes Mittel der Selbstverteidigung in Griffweite. Es handelte sich um eine AK-74U, eine Variante der altehrwürdigen, aber immer noch hocheffizienten Kalaschnikow, die sich durch einen verkürzten Lauf auszeichnete, was zu einer höheren Feuerrate führte. Als er sich zur Seite rollte, um dem unangenehmen Luftzug zu entgehen, tastete er mit der Hand nach deren Plastikgriff, zog sie näher an sich heran und drehte sich dann auf den Rücken. Mit den schweren Stiefeln an seinen Füßen, dem Pistolengurt um die Hüfte und dem an seinen Oberkörper geschnallten Brustgurt voller Gewehrmagazine war es verdammt schwer, eine einigermaßen bequeme Stellung zu finden.
    Eigentlich hielt ihn jedoch nicht die Unbequemlichkeit dieser Scheune und seiner Ausrüstung, sondern vor allem die ständig nagende Sorge vor einem Angriff wach. Israpil wusste sehr wohl, dass die Russen es auf ihn abgesehen hatten. Sie hielten ihn für den zukünftigen Kopf des Widerstands, für die Zukunft seines Volkes, und zwar nicht nur die Zukunft des islamischen Dagestans, sondern die Zukunft eines islamischen Kalifats im Kaukasus.
    Nabijew war ein erstrangiges Ziel Moskaus, da er fast sein ganzes bisheriges Leben gegen dessen Repräsentanten gekämpft hatte. Bereits im Alter von elf Jahren hatte er damit begonnen. Seinen ersten Russen hatte er 1993 in Bergkarabach mit gerade einmal fünfzehn Jahren getötet. Seitdem hatte er in Grosny, Tiflis, Zchinwali und Machatschkala noch viele andere zur Strecke gebracht.
    Jetzt war er mit nicht einmal fünfunddreißig Jahren zum militärischen Führer der dagestanischen radikalislamischen Organisation Jamaat Shariat, der »Islamischen Rechtsgemeinschaft«, aufgestiegen,
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